Blaulicht 115 - Andreew,

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Blaulicht
115
Alexander Andreew
Die Dame mit dem Trick
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1970
Lizenz Nr.: 409 160/23/70
Lektor: Ingeburg Siebenstädt
Umschlagentwurf: Gisela Röder, Gruppe 4
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: Druckerei Neues Deutschland, Berlin 3324
00045
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Als Christine Wallek vierzehn Jahre alt war. war ihr Charakter
ein Sammelsurium von Eigenschaften, die, je nachdem wie man
sie ausbildet oder unterdrückt, einen Menschen zum Sonderling,
zum Narren, zum Bösewicht oder aber zu einem beliebten,
klugen Menschen werden lassen, dem man nicht ohne Nutzen
nacheifert.
Ebenso vielseitig und unausgegoren waren Christines geistige
Fähigkeiten. Sie hätte bei entsprechender Ausbildung in den
Fächern der Naturwissenschaften ebensogut mehr als
Durchschnittliches geleistet, wie sie sich bei einer musischen
Erziehung wohl als Künstlerin hervorgetan hätte. Besonders als
Schauspielerin wäre sie wohl nicht namenlos geblieben, denn ihr
Anpassungs- und Nachahmungstrieb waren ebensowenig
unterentwickelt wie ihre körperlichen Formen.
Dazu kam, daß Christine ein Mädchen mit starken Gefühlen
war. Doch Christine war sich ihrer vielseitigen Veranlagungen
nicht bewußt. Sie lebte wie ein Fohlen auf der Weide, das sich
nicht darum kümmert, ob es eines Tages Lasten ziehen oder
Rennen gewinnen soll.
Christine hätte zu jener Zeit eines Menschen bedurft, der ihr
geholfen hätte, ihre Persönlichkeit zu formen. Ihr Lehrer lobte
zwar im Zeugnis ihr schnelles Auffassungsvermögen, ihre
unbekümmerte, fröhliche und kameradschaftliche Art im
Umgang mit Gleichaltrigen, doch sich besonders um Christines
Entwicklung zu kümmern, hielt er schon deshalb für überflüssig,
da sie aus einem sogenannten intakten Elternhause stammte.
Wirklich, das Ehe- und Familienleben der Walleks war nahezu
mustergültig – nach außen hin. Das heißt, selbst Christine mußte
erst ihre Umwelt mit den Augen einer Vierzehnjährigen
betrachten lernen, bevor sie dahinterkam, daß die gegenseitige
Toleranz Gleichgültigkeit, die Achtung vor dem anderen von
Ironie durchsetzt und die liebevolle Aufmerksamkeit füreinander
geheuchelt war. Christine war verwirrt und deprimiert durch die
Erkenntnis, daß man auch im Leben schauspielern kann und daß
die Gefühle, um derentwillen man einen Menschen liebt,
geheuchelt sein können.
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Am Tag nach der Jugendweihe gaben ihr die Eltern in einer
plump vertraulichen Art zu verstehen, daß sie nun zu den
»Erwachsenen« gehöre und daß man mit ihr auch über die
Probleme Erwachsener sprechen könne. Und ein solches
Problem sei – ihre Scheidung. Zwar hatte Christine mit einer
Veränderung in ihrem Familienleben gerechnet, seit sie die
geheuchelte Harmonie ihrer Eltern durchschaut hatte, doch jetzt,
da sie vor die Tatsache gestellt wurde, daß sich die Eltern
trennten, kam ihr alles, was sie Gutes von ihnen erfahren hatte,
ja ihre ganze unbekümmerte Kindheit wie ein albernes
Kasperlespiel vor, das man nur aufgeführt hatte, um sie bei guter
Laune zu halten.
Da sie ihren Eltern, die so viel Gefühl geheuchelt hatten, ihre
wahren Gefühle nicht zeigen wollte, wurde sie wortkarg und von
einer freundlichen Folgsamkeit, die von Liebe und Achtung so
weit entfernt war wie der Strahl einer Taschenlampe vom
Sonnenschein. Doch abends, wenn Christine allein in ihrem
Zimmer war, warf sie sich oft aufs Bett und schluchzte
hemmungslos, fühlte sich elend und kam sich vor wie jene
Märchenfigur aus Tausendundeiner Nacht, die zuerst vorn
Sultan ins Vertrauen gezogen und dann hingerichtet wurde.
Doch mit vierzehn Jahren pflegt man so ungefähr alles, auch
eine moralische Hinrichtung, zu überstehen. Fragt sich nur wie.
Einmal darauf gestoßen, daß man seinen lieben Mitmenschen so
allerlei vormachen kann, malte sie sich in ihrer Phantasie aus,
welch ungeheure Erfolge man damit zu erzielen imstande war.
Angenommen, dachte sie, ich spiele meinen Eltern einen
großen Kummer vor, zum Beispiel darüber, daß ich ihnen noch
ein paar Jahre auf dem Geldbeutel liegen werde, wenn ich
weiterhin die Schule besuche, da müßte es doch mit dem Teufel
zugehen, wenn ich nicht endlich die leidige Lernerei an den
Nagel hängen könnte.
Von Stund an ließ sie auf eine rührende Weise ihren Eltern
gegenüber durchblicken, wie sehr sie der Zustand bedrücke,
nicht auf eigenen Füßen stehen und auf die elterliche finanzielle
Unterstützung verzichten zu können.
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