Blaulicht 275 - Panasjan,
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Blaulicht
275
Sergej Panasjan
Wegen nichts
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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Originaltitel:
Aus dem Band
© Verlag Moskau 1985
Aus dem Russischen von Erika Pietraß
1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1989
(deutschsprachige Ausgabe)
Lizenz Nr.: 409 160/205/89 LSV 7204
Umschlagentwurf: Bernd A. Chmura
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 859 6
00045
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13. September, Sonnabend
Sie lag auf dem feuchten Asphalt, den Unterkiefer angespannt,
die kindlichen Lippen zerbissen, und sie preßte beide Hände auf
die rechte Seite, so sehr sie nur konnte. Doch das Blut rann
hervor, unaufhörlich, lautlos und heiß, und sie spürte es,
fürchtete aber seinen Anblick. Vor Blut hatte sie sich immer
gefürchtet. Der Schmerz brannte unerträglich. Nicht einmal
schreien konnte sie.
Es war Abend, tiefe Dämmerung. Ihre Kraft versickerte
irgendwo in der Erde. Dennoch glaubte das Mädchen, jetzt
aufstehen zu müssen. Stünde sie auf, würde ihr sofort leichter
werden, und sie würde gehen können. Schließlich durfte sie nicht
die halbe Nacht hier liegen! So eine Schande! Mit der rechten
Hand zog sie das getupfte Kleid zurecht, dann schlug sie die
Beine unter. Schüttelfrost überkam sie. Und keine
Menschenseele in der Nähe, nur von fern Frauenstimmen. Und
der Schmerz, dieser Schmerz, karmesinrot, ziehend… »Ach!
Mamotschka. Mama…« Sie weinte verhalten. Flüchtig ging ihr
durch den Sinn, daß sie von der Mutter etwas abbekommen
würde. Das stand fest! Gleich darauf dachte sie an die kurzen,
fürchterlichen Messerstiche in den Leib. Anfangs hatte sie nicht
einmal begriffen, daß da ein Messer gewesen war. Überhaupt
hatte sie so schnell nichts begreifen können und sich deshalb
auch nicht gewehrt, sondern ihn nur groß angeschaut, während
sie langsam auf den asphaltierten Weg gesunken war. Er aber
hatte sich herabgebeugt und noch zweimal zugestoßen. Sie hatte
aufgeschrien: »Das tut weh!« Mehr nicht. Als er von ihr
abgelassen hatte, war ihr noch der Gedanke gekommen:
Wenigstens hat er mich nicht umgebracht… Trotzdem hatte sie
nicht gewagt, die Augen von ihm zu wenden, und von dem
plötzlichen Schmerz niedergehalten, hatte sie deutlich gesehen,
wie er sich hin und her gedreht, dann in seinen Taschen gewühlt,
etwas Weißes hervorgeholt und ihr noch einen Blick zugeworfen
hatte.
»So läuft das! Jetzt weißt du Bescheid!«
Das Messer hatte er immer noch in der Hand gehalten,
vorsichtig nach vorn gestreckt, um sein Jackett nicht zu
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beschmutzen. Wahrscheinlich hatte er die Klinge säubern
wollen, mit dem Taschentuch oder mit etwas anderem, aber das
war für sie nicht wichtig gewesen, sie hatte nur sein Gesicht
wahrgenommen, grau, verschwommen und unerklärlich
schrecklich. Wie zahnlos. Er hatte von neuem in seinen Taschen
gesucht, es sich dann jedoch offenbar anders überlegt.
»Kapiert? Jetzt weißt du Bescheid! Flittchen! Wir haben auch
unsern Stolz. So ist das. Klar?«
Der Sinn seiner Worte hatte sie kaum erreicht, sie hatte
schreien wollen, denn der Schmerz war übermächtig geworden,
doch so sehr hatte sie sich nicht vor ihm erniedrigt, ihn nur
immerfort angeblickt, wie versteinert, nachdem sie die Wunde
noch fester zusammengepreßt hatte. Und diesen Blick hatte er
nicht ertragen. Er hatte es auf einmal sehr eilig gehabt, war nach
rechts gelaufen, hatte ihr hastig den Rücken zugedreht und war
davongerannt.
Sie hatte schon nicht mehr aufstehen können. Hatte gesessen
und sich mit einer Hand abgestützt. Alles war vor ihren Augen
verschwommen, und sie war niedergesunken, erschüttert vom
Schmerz und von dem, was zuvor geschehen war.
Wieviel Zeit so verstrichen war, wußte sie nicht. Die
Frauenstimmen im Dunkel klangen mitunter näher, manchmal
entfernt… Jetzt, wo sie allein war, schluchzte das Mädchen, leise
und kläglich. Plötzlich hörte sie aus dem Haus gegenüber eine
Stimme: »Was ist mit dir, Olja?«
Sie fuhr zusammen und antwortete klar, in die Finsternis: »Ich
bin nicht Olja, ich bin Irma…«
Einige Zeit lag sie schweigend. Männer gingen auf der Straße
vorbei, redeten miteinander. Doch jetzt hatte sie Angst vor
ihnen und gab keinen Laut von sich. Später erklangen deutlich
Frauenschritte, aber ehe sie einen Ton hervorbrachte, waren sie
vorüber. Dennoch rief sie, schwach, mit dumpfer, fremder
Stimme: »Hilfe!«
Sie hörten sie und kamen zurück. Es waren zwei junge Frauen.
»Wer ist da?«
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