Blaulicht 236 - Lawrow,
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Blaulicht
236
Olga Lawrowa,
Alexander Lawrow
Schuldig in 74 Fällen
Protokoll eines Kriminalfalles
Verlag Das Neue Berlin
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Originaltitel:
(c) Juriditscheskaja literatura, Moskau 1983
Aus dem Russischen von Helga Gutsche
1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin Berlin 1984
Lizenz Nr 409 160/116/84 LSV 7004
Umschlagentwurf Ines Flierl-Bussenius
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 613 6
00045
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Jede Milizabteilung legt regelmäßig Rechenschaft über ihre
Arbeit ab. Rapporte werden gebietsweise zusammengefaßt, und
aus den Meldungen der einzelnen Gebiete entsteht in jeder
Unionsrepublik ein Bericht. Diese Berichte aus dem ganzen
Land kommen im Ministerium des Innern der UdSSR
zusammen. Auf ihrer Grundlage verschafft sich die
Kriminalstatistik einen Überblick über die Kriminalität im Land:
über Charakter und Zahl der Rechtsverletzungen sowie über ihre
jährlichen, ja täglichen Schwankungen. Eines Tages entdeckte
man bei der Analyse dieser Berichte, daß in mehreren
Unionsrepubliken einige Fälle von Trickbetrug unaufgeklärt
geblieben waren.
Daraufhin wurden vom Ministerium alle Akten angefordert
und gesichtet ein paar dünne Mappen mit den Anzeigen der
Geschädigten und zwei, drei Dokumenten. Aber selbst bei dieser
flüchtigen Durchsicht kam etwas heraus: Sie stützte die
Vermutung, daß es sich in allen Fällen um ein und denselben
Täter handelte. Michail Petrowitsch Daineko wurde beauftragt,
das Für und Wider dieser Version abzuwägen.
Was auf den ersten Blick entschieden dagegensprach, war die
geographische Lage der Tatorte. Als Daineko sie auf der Karte
eingetragen hatte und in den Aktionen des Täters irgendeine
Logik zu erkennen suchte, breitete er ratlos die Arme aus. Wenn
das wirklich ein einziger Mensch war, dann mußte er wie
verrückt durch das Land eilen. Zwei aufeinanderfolgende
Straftaten gab es weder in einer Stadt noch in einem Gebiet.
Auch ein Vergleich der Daten schien dagegenzusprechen. Mit
dem Stift in der Hand löste Daineko simpelste Rechenaufgaben:
Am Sonntag war am Punkt A die Bürgerin N. betrogen worden,
am Montag hatte man im Punkt B den Bürger M. übers Ohr
gehauen. Die Frage lautete: Mit welcher Geschwindigkeit bewegt
sich der Täter, wenn die Punkte A und B in Luftlinie
fünfhundertzwanzig Kilometer voneinander entfernt sind?
In dem Moment, da der Täter die Bürgerin N. betrog, mußte
er das Flugticket zum Punkt B bereits in der Tasche haben und
anschließend per Taxi oder Anhalter vom Flugplatz aus zu
seinem Ziel rasen, um den Bürger M. noch “rechtzeitig” übers
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Ohr hauen zu können. Wann aber war es ihm gelungen, den
Bürger M. aufs Korn zu nehmen und sich in sein Vertrauen zu
schleichen?
Noch etwas sprach dagegen: die Vielfalt der Methoden, mit
denen der Täter das Vertrauen der Leute gewann.
Genaugenommen war keine einheitliche Handschrift zu
erkennen. Sie variierte in weitem Radius, während Betrüger im
allgemeinen nach zwei, drei Methoden arbeiten. Anders, wenn
man von der Existenz eines außerordentlich mobilen und
einfallsreichen Ganoven ausging.
Die Geschädigten gaben sein Alter mit dreißig bis vierzig an.
Sein Gesicht beschrieben sie als rund, die Lippen als dick; alle
nannten ihn mittelgroß. Nur seine Haarfarbe wurde
unterschiedlich angegeben – bald als kastanienbraun, bald als
dunkelblond. Dafür hob man einmütig den ukrainischen Akzent
und die Tatsache hervor, daß der Betrüger Charme besitzt und
auf den ersten Blick für sich einnimmt.
Die ungefähre Übereinstimmung der Kennzeichen bewies
zwar noch gar nichts, unterstützte aber die Version von einem
einzigen Täter. Davon ausgehend, konnte man auch sagen, daß
die Chronologie der Straftaten dafür sprach: Obwohl sich die
Tatzeiten mitunter direkt aneinanderreihten, gab es keine einzige
Überschneidung. Aus diesen Fakten und Überlegungen mußte
Daineko eine Schlußfolgerung ziehen. “Der Täter geht
außerordentlich geschickt vor”, berichtete er seiner Leitung.
“Das ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Warum “ein” Mann?
Weil man sonst davon ausgehen müßte, daß plötzlich eine Schar
von Betrügern aus dem Boden geschossen sei, die jeweils nur
eine einzige Straftat begeht. Und das auch noch auf Verabredung
– an verschiedenen Tagen, damit es nirgendwo eine
Überschneidung gibt!”
Daineko ließ sich nicht von kriminalistischen Weisheiten oder
einer geheimnisvollen Intuition leiten, er ging vom gesunden
Menschenverstand aus. Die Leitung beschloß, die Fahndung
nach dem Unbekannten einzuleiten.
Das Ministerium des Innern bildete eine Sondergruppe, zu der
Mitarbeiter aus verschiedenen Unionsrepubliken gehörten. Diese
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