Blaulicht 220 - Weber,
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Blaulicht
220
Karl Heinz Weber
Ein weißer Peugeot
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1982
Lizenz-Nr.: 409-160/116/82 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Feliks Büttner
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 517 6
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Die Tote lag zwischen Abfall und alten Autoreifen am Fuße
einer Schutthalde. Sie war nackt und blutverschmiert.
Vergewaltigt sei sie nicht, sagte der Arzt.
Sie hieß Brigitte Einsberg, war sechzehn Jahre alt und die älteste
Tochter einer Bergarbeiterfamilie. Wie jeden Abend hatte sie die
Wohnung ihrer Eltern verlassen, weil die fünf Kinder dort nicht
alle Platz hatten zum Schlafen. Sie mußte bei ihrer Großmutter
übernachten, zwei Straßen weiter. Die Mutter gab ihr noch eine
Apfelsine mit auf den Weg. Das war gegen 19 Uhr gewesen, am
5. April. Doch bei ihrer Großmutter war Brigitte nie
angekommen.
Kriminalkommissar Oberhold erfuhr davon Stunden später.
Brigittes Bruder, der fünfzehnjährige Thomas, hatte am Morgen
des 6. April mit seinem Freund Sven Hubek auf dem freien Feld
vor der Schutthalde Fußball gespielt. Sven schoß neben das Tor.
Der Ball rollte bis zum Müllplatz. Als Thomas ihn holte, sah er
seine Schwester dort liegen.
Joachim Oberhold war aus der Kreisstadt angefordert worden.
Er kannte weder den Ort noch die Leute. Sein Vorgesetzter
meinte, das sei nicht unbedingt von Nachteil. Außerdem hatte er
niemand anders, dem er den Fall übertragen konnte.
Der Ort hieß Lohmsdell und lag am Rande eines
ausgedehnten Bergbaugebietes. Ein reizloses Städtchen von
zehntausend Einwohnern. Keine Sehenswürdigkeiten, keine
Naturschönheiten, nicht mal eine Fernverkehrsstraße führte hier
vorbei. Ein dreckiges Nest voller rußgeschwängerter Luft und
mißlauniger Menschen. Es bot nichts, lockte nicht, es lag abseits
in jeder Beziehung.
Oberhold logierte mit seinem Team im Gasthof »Zum Braven
Steiger«. Er bekam ein Einzelzimmer, während sein Assistent
Bürger mit Jupp Wenzbach, dem Neuling, zusammenziehen
mußte. Die übrige Mannschaft würde Lohmsdell wieder
verlassen, sobald die Spurensicherung abgeschlossen war.
Das Verbrechen an dem Mädchen hatte die Stadt in
Aufregung versetzt. Überall standen Gruppen von Menschen,
die heftig diskutierten. Wer nicht zur Arbeit war, schien sich in
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den Straßen aufzuhalten. Besonderer Anziehungspunkt war der
Platz vor dem Rathaus.
Kommissar Oberhold hatte den Sitzungssaal zugewiesen
bekommen. Die Tische, an denen sonst die Abgeordneten saßen,
waren mit grünem Samt bespannt, und die Stühle hatten hohe
Lehnen. Es war ein großer Raum, an dessen Stirnseite zwei
Stufen zu einem Podest führten. Hier nahm gewöhnlich der
Bürgermeister Platz.
Es hatte den Anschein, als wollten viele der Herumstehenden
eine Aussage machen. Sie drängten und schubsten nach vorn
und reckten die Hälse. Doch als Kriminalassistent Bürger sie
dazu aufforderte und ihre Namen erfahren wollte, traten sie
verlegen zurück. Sie waren offenbar nur aus Neugier gekommen.
Als einzige, dafür um so stürmischer, meldete sich eine hagere
Frau von vielleicht siebzig Jahren.
»Ich habe den Mörder gesehen, dieses Schwein!«
Oberhold blieb gelassen. Er begrüßte sie höflich und nahm
dann gewissenhaft ihre Personalien auf. Elfriede Möring,
Hadergasse 15, in der städtischen Wäscherei beschäftigt. Sie war
nicht siebzig, sondern achtundfünfzig.
»Also, Frau Möring, was können Sie uns erzählen?«
»Ich habe diesen Mann gesehen, Herr Kommissar. Er saß in
einem weißen Peugeot und sprach mit der Brigitte.«
Oberhold nickte. »Und wann war das?«
»So gegen halb acht gestern abend. Ich guckte aus dem
Fenster.«
»Und da sahen Sie Brigitte Einsberg.«
»Jawohl.«
»In der Hadergasse demnach.«
»Jawohl.«
Oberhold wußte nicht, wo die Hadergasse lag. Er trat an den
großflächigen Stadtplan, der an der Wand des Sitzungssaales
hing, und ließ sich die Stelle zeigen. Das dauerte eine Weile,
denn für Elfriede Möring war das topographische Bild ihrer
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