Blaulicht 177 - Plath,

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Blaulicht
177
Hariette Plath
Zeugen gesucht
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1977
Lizenz-Nr.: 409-160/102/77 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Brigitte Ullmann
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 305 8
00045
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Dienstag, der 28. August 1965.
Das wird ein Tag wie viele andere, dachte Wegener. Immer um
sieben hieß es, das erste Mal frische Ware anzunehmen, um acht
den Laden zu öffnen. Die Zeit zwischen acht bis eins verging im
Handumdrehen, besonders jetzt war viel zu tun, bei der Menge
an frischem Obst und Gemüse.
Wegener schaute auf die Uhr. Ein altmodischer Wecker im
unteren Fach des Regals zeigte Viertel vor eins. Also noch
fünfzehn Minuten, dann konnte er den Laden schließen und zu
seiner Frau gehen.
Schnell räumte er die Kisten mit dem Leergut noch zur Seite,
Limonaden- und Bierflaschen. Es war sehr heiß in diesen Tagen,
und die Leute verlangten Getränke wie warme Semmeln.
Morgen früh müßte er die Fahrer von der Transportbrigade
bitten, täglich noch zehn Kästen Limonade mehr zu liefern.
Schade, daß er hier so wenig Platz hatte. Im hinteren Teil des
kleinen Korridors standen die Kästen bereits hoch aufgestapelt,
und nur zweimal in der Woche wurde das Leergut abgeholt.
Ja, wenn Ronald mehr Interesse für das Geschäft zeigte… So
jung und kräftig wie der war, der könnte noch Schwung in den
alten Laden bringen! Aber da war nichts zu erwarten. Wegener
füllte die Regale mit Gemüsegläsern auf. Er dachte dabei an
Nelly Walter, Ronalds jetzige Freundin. »Ein patentes Mädchen«,
murmelte er vor sich hin und sah dabei nachdenklich in die
blinde Glasscheibe an der Rückwand des Regals, aus der ihn sein
altes, müdes Gesicht anblickte. Wegener polierte mit einem Tuch
die Scheibe, als könne er so ein jüngeres Gesicht hervorzaubern.
Er stutzte. War da nicht ein Geräusch auf dem Korridor?
Unsinn, ich höre schon Gespenster, beruhigte er sich. Er ging
hinter den Ladentisch zur Kasse und zählte die
Vormittagseinnahmen: etwas über vierhundert Mark. Das hätte
Ronald so passen können, heute schon wieder was zu kassieren.
Wegener blickte durch das Schaufenster auf die Straße. Eine
junge, blonde Frau ging gerade vorüber. Beinahe wie Anni,
dachte er. Leider, mit ihr war über Ronald nicht zu reden. Schon
damals, als sie ihn als Zwölfjährigen mit in die Ehe brachte,
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verhätschelte sie ihn. Heute war er vierundzwanzig, und noch
immer steckte sie ihm alles zu, hatte Heimlichkeiten mit ihm.
Aber was half’s. Ich liebe sie eben und muß Verständnis dafür
haben, dachte er.
In diesem Augenblick ging die Ladentür noch einmal auf, und
Frau Mertens, die Verkaufsstellenleiterin der gegenüberliegenden
Fleischerei, kam eilig herein. »Tag, Herr Wegener. Na, wie läuft
das Geschäft?« rief sie ihm lachend zu. Als sie nicht die übliche
Antwort bekam, stutzte sie. »Was haben Sie denn heute, Herr
Wegener? Sie machen ja ein Gesicht… Geht’s wieder um
Ronald?«
Wegener antwortete noch immer nicht. Er mochte diese Frau.
Sie kannten sich seit langem, und während er ihr die besten
Äpfel und Tomaten heraussuchte, machte er endlich seinem
Ärger Luft.
»Sie wissen doch, wie er ist, Frau Mertens. Kein Interesse fürs
Geschäft, kein Interesse für was Beständiges. ›Immer mal was
Neues‹, das ist seine Devise. Hätte längst selbst eine Gaststätte
leiten können.« Wegener seufzte. »Wenn der so weitermacht,
bekommt er keinen Pfennig von mir, das können Sie mir
glauben.«
»Na, Kopf hoch, Herr Wegener. Sie werden sich doch
deswegen keine grauen Haare wachsen lassen.« Frau Mertens sah
ihn aufmunternd an, als sie die Ware entgegennahm. »Passen Sie
auf, der wird noch mal ganz vernünftig.«
»Wie seine Mutter, meinen Sie wohl«, ergänzte Wegener und
machte ein betrübtes Gesicht. »Das ist ein Problem für sich,
Frau Mertens. Manchmal möchte ich schon wissen, was sie
denkt und tut. In letzter Zeit hat sie sich verändert.« Er machte
eine kleine Pause. »Was meinen Sie, ob ein anderer Mann
dahintersteckt?«
»Aber ich bitte Sie, Herr Wegener, wo denken Sie hin.«
Frau Mertens lachte schon wieder. »Wenn ich morgen
wiederkomme, möchte ich ein anderes Gesicht sehen.«
Freundlich verabschiedete sie sich von ihm.
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