Blaulicht 198 - Weinhold,
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Blaulicht
198
Siegfried Weinhold
Der Tod hat einen
Schlüssel
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1979
Lizenz-Nr.: 409-160/107/79 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Uwe Häntsch
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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Der Anruf kam nachts gegen halb drei. Seit meiner Versetzung
(oder Beförderung) in die Bezirksstadt wohnte ich in einem
Neubau mit nichtregulierbarer Fernheizung und hatte im
Schlafzimmer bei geschlossenem Fenster das Gefühl des
Erstickens und bei geöffnetem Fenster den Lärm von
Straßenbahn und Lastzügen. Wie auch immer: Regelmäßig
erwachte ich in der zweiten Stunde und konnte nicht wieder
einschlafen. Um die Zeit wenigstens nutzbringend zu
verwenden, griff ich nach einem Buch, nichts Aufregendes,
geruhsame Prosa, Gottfried Kellers »Grüner Heinrich«, ein
Geschenk des neuen Chefs zu meinem Geburtstag. Ich hatte
den Titel auf mich bezogen; denn mein voller Name lautet
Jochen Heinrich Haebel, ich war in dieser Abteilung noch grün
und kam aus einer Gegend, in der Wald und Wiesen die
Oberhand über Asphalt und Beton hatten. Nun, als
einschläferndes Mittel war mir das Buch recht: Nach etwa
dreißig Seiten sank das Werk zur Seite und ich in den Schlaf. Das
hatte sich schon beinahe zur Gewohnheit ausgebildet, so daß
ich, kaum aufgewacht, gleich mit dem Buch begann.
Als das Telefon klingelte, war ich gerade bei der Stelle
angelangt: »Ich blickte mit einer Art einschläfernden
Wohlgefallens nach dem Tische hin, sah und hörte mit
halboffenen Augen und Ohren noch eine Weile, was sie taten
und sprachen, ohne darauf zu merken, bis ich wirklich
einschlief…«, und ich war drauf und dran, es dem grünen
Heinrich nachzutun. Leise fluchend nahm ich den Hörer ab.
»Was ist?« fragte meine Frau mit schlafverquollenem Gesicht
und struppigem Haar, das ihr vom Kopf abstand wie der
Strahlenkranz eines Kirchenheiligen.
Ich blickte sie mißbilligend an und gebot ihr mit der Hand zu
schweigen. Ich hörte auf das, was der Operativdiensthabende am
Ende der Leitung sagte. »Ja, geht in Ordnung«, antwortete ich,
legte auf und war auch schon aus dem Bett.
»Mußt du wieder weg?« fragte Margot und gähnte.
»Ja«, sagte ich und knöpfte die Hose zu.
»Ausgerechnet in der Nacht«, maulte sie. »Einbruch?«
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»Jemand hat sich mit Gas vergiftet«, sagte ich.
»Ach so«, sagte sie, drehte sich auf die Seite und schlief weiter.
Wenn ich jemanden um etwas beneide, dann sie um ihren Schlaf.
Ich wartete etwa fünf Minuten vor der Haustür, bis der
Streifenwagen mich abholte. Wir fuhren quer durch die halbe
Stadt, und ich fragte mich, was sich der ODH gedacht hat, als er
mich mit seinem Anruf erwählte. Vielleicht, daß er mir einen
Gefallen damit tue und es eine willkommene Abwechslung im
Alltag eines bisher in ländlicher Gegend tätig gewesenen
Kriminalisten sei, um diese Zeit Leichenschau halten und einen
Bericht darüber schreiben zu müssen.
Der Fahrer des Streifenwagens hatte das Fenster einen Spalt
offen, und sein Zigarettenrauch wedelte mir ins Gesicht. Sein
Kollege neben ihm unterstützte das Räucherwerk, indem er eine
Karo anbrannte. Seit ich nicht mehr rauchte, war ich anfällig für
so etwas. Ich fischte in der Jackentasche nach einem
Eukalyptusbonbon und wickelte ihn demonstrativ aus dem
Papier. Ebenso war mein Lutschen oder, besser gesagt,
Schmatzen. Mir schien, als ob die Burschen grienten. Im übrigen
waren sie recht schweigsam, was ich verstehen konnte. Das
letzte Drittel des Nachtdienstes ist am schlimmsten: Es passiert
fast nichts, und die Müdigkeit nimmt gegen Morgen zu. Statt die
Straßen nach möglichen Straftätern abzufahren oder die
Sicherheit gefährdende Betrunkene aufzulesen, würden sie, wie
jeder andre auch, viel lieber in ihren Betten liegen.
Wir hielten vor einem siebengeschossigen Haus im nicht mehr
ganz neuen Neubaugebiet am Rosenberg. Der Fahrer blieb im
Wagen, während der andere Streifenpolizist und ich ausstiegen.
Ein Feuerwehrauto und ein Krankenwagen standen da, und
obwohl es drei Uhr nachts war, hingen einige Neugierige ihre
Köpfe aus den dunklen Fenstern.
Die Feuerwehr wollte wieder weg und war abfahrbereit. Einer
ihrer Leute kam mit Helm aus der Haustür, in der Hand eine
Gasmaske. Vom Auto aus rief man ihm zu, wo denn Olaf bleibe,
er müsse doch der Polizei längst alles erzählt haben. »Was will er
denn noch oben?«
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