Blaulicht 131 - Picard,

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Blaulicht
131
Leon Picard
Zwischen Abend und Morgen
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1971
Lizenz-Nr.: 409-160/106/79 · ES 8 C
Lektor: Gisela Bentzien
Umschlagentwurf: Heinz Handschick
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
00045
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Ruth Waslander klemmte das Bilderbuch und die Basttasche
unter den Arm und verließ den Bus. Nachdem sie die
Ginsterheide durchquert hatte, gelangte sie in die Birkenallee, die
rechts zum Park führte. Sie beeilte sich, nach Hause zu kommen.
Es war Sonnabendnachmittag, und sie hatte Heiko versprochen,
mit ihm zur Kirmes zu gehen.
Seit Ruth Waslander von ihrem Mann getrennt lebte,
befürchtete sie, er würde versuchen, ihr den Jungen
wegzunehmen. In dieser Angst lebte sie von einem Tag zum
anderen. Sie fühlte sich nur noch einigermaßen beruhigt, wenn
sie den Jungen in der Wohnung ihrer Schwester Charlotte wußte,
wo sie einstweilen Unterkunft gefunden hatten.
Charlotte Brand war Taxifahrerin, unverheiratet und ihrem
Neffen herzlich zugetan. Sie mußte viel Spätschicht machen und
konnte am Tage den Fünfjährigen beaufsichtigen. Ruth
Waslander hatte ihrem Sohn eine Menge hübscher Spielsachen
gekauft. Sie hoffte, daß es ihm in Gesellschaft der Stofftiere,
Murmeln und Wägelchen nicht langweilig wurde.
Jeden Tag führte Ruth Waslander ihren Dienst im
Krankenhaus durch. Jeden Morgen ließ sie Heiko bei Charlotte,
fuhr mit dem Bus in die Stadt, um die Patienten ihrer Abteilung
zu versorgen. Immer war sie freundlich, hilfsbereit, hatte für
jeden ein gutes Wort. Sie verteilte die Medizin, mußte Fieber
messen, die Betten der Kranken in Ordnung bringen und hatte
gelernt, alles anzusehen und zu hören, ohne das Lächeln dabei
zu verlieren.
Mit hastigen Schritten ging Ruth Waslander den Parkweg
entlang. Auf dem gegenüberliegenden Teich schwammen wilde
Enten. Der leichte Wind brachte den Geruch von Nelken
herüber. Ruth Waslander bog dann in die Mozartstraße ein.
Rasch überquerte sie die Fahrbahn und betrat das Haus
Nummer 21, das inmitten eines kleinen Gartens stand, der von
der Straße durch eine Reihe immergrüner Büsche getrennt war.
Im Flur war es angenehm kühl. Es roch nach Bohnerwachs
und Seife, weil Frau Holzknecht wie jeden Sonnabend beim
Treppenreinigen war. Ihre Wangen hatten sich vom Bücken
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gerötet, das krause, braune Haar wellte ihr über den ganzen
Kopf, und die Brille war ihr bis auf die Nasenspitze gerutscht.
Die Spannung in Ruth Waslander löste sich ein wenig. Sie
versuchte die Falten auf ihrer Stirn zu glätten und tat, als
bemerke sie den prüfenden Blick nicht, den die Hauswirtin ihr
zuwarf.
»Der Junge hat wieder geweint.«
Dies Haus ist voller Augen und Ohren, dachte Ruth
Waslander und sagte etwas gereizt: »Was meinen Sie mit
wieder?«
»Das ist das vierte Mal in dieser Woche.«
Ruth Waslander spürte einen fast unwiderstehlichen Drang,
die Frau einfach stehenzulassen.
»Ich sage ja nur«, lenkte Frau Holzknecht ein. Das Ehepaar
Holzknecht bewohnte die Räume unter Fräulein Brands
Wohnung. Seitdem Frau Waslander zugezogen war, konnten sie
hören, wenn über ihnen das Kind herumpolterte oder in Tränen
ausbrach.
»Müssen Sie ihn denn so oft allein lassen? Ist doch langweilig
in der Bude da oben! Ich begreife nicht, daß Sie das übers Herz
bringen.«
Ruth Waslander stieg schweigend die Treppe hoch. Sie wollte
alles vermeiden, was die Hauswirtin ärgerlich machen konnte.
Frau Holzknecht spürte, daß es sinnlos war, jetzt darüber zu
sprechen. Frau Waslander war ungeheuer empfindsam. Die
Hauswirtin nahm sich vor, mit der Schwester mal ein ernstes
Wort zu reden. Trotzdem rief sie hinter Ruth Waslander her:
»Ich weiß ja nicht, wie Sie darüber denken, aber wenn Fräulein
Brand nicht da ist, können Sie doch den Schlüssel bei uns unten
lassen. Dann kann man doch mal nach ihm sehen. Ich meine, ich
will mich nicht aufdrängen, ist nur ’n Vorschlag. Ich tu’s gern.«
»Ja, ja.« Ruth Waslander stand vor ihrer Tür und suchte
ungeduldig in der Basttasche nach dem Schlüssel. Ach was,
dachte sie, die Leute sollen sich um ihren Kram kümmern. Sie
schloß die Tür auf und fühlte sich unbehaglich. Wenn man das
hört, glaubt man ja, ich sei ein herzloses Geschöpf. Sie betrat
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