Blaulicht 142 - Schneider,

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Blaulicht
142
Hans Schneider
Der Egoist
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1973
Lizenz Nr.: 409 160/52/73 ES 8 C
Lektor: Robert Kündiger
Umschlagentwurf: Ingrid Schuppan
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: Druckerei Neues Deutschland, Berlin, 1090
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Diese Chance kehrt nie wieder!
Sofort sind meine Hände zur Stelle: Gürtelhöhe; nein, besser
ist es, die Schultern zu fassen, und dann… Aber nein, die
Oberarme muß ich packen, blitzschnell.
Die Fingerspitzen zucken vom Nylongewebe zurück.
Verdammt, bin ich denn ganz verrückt geworden? Dieser
urplötzliche Gedanke, spontan ausgeführt – binnen einer
Sekunde hätte ich verspielt, was ich mir aufgebaut habe, das
ganze Leben!
Es gruselt mich bis in den Magen hinein bei der Vorstellung:
ein großer Saal. Gericht. Ankläger. Verteidiger. Und Zuhörer;
darunter Kollegen, Freunde, vielleicht sogar sie, Christina. Im
Mittelpunkt ich, Gerhard Tanneberg, der Mörder.
»Du wolltest mir doch auf diesem Spaziergang etwas sagen,
Gerhard?« Da ist sie wieder, diese vertrackte Wirklichkeit!
Schmerzhaft gegenständlich rumort sie im Kopf, drängt sich in
den Hals, zuckt in den Händen und kribbelt bis in die
Eingeweide. Ich muß mich überwinden, diese unerwartete
Schwäche in den Kniegelenken zu meistern, sonst strauchele ich
auf der Stelle und stürze hinab in den Steinbruch; zwanzig,
dreißig Meter tief, spitzschartige Granitkanten streifend, um
schließlich zerschmettert liegenzubleiben.
»Du wolltest etwas mit mir besprechen, Gerhard!«
Ich Idiot! Alles könnte jetzt vorüber sein. Kein Wort hätte ich
dabei zu verlieren brauchen. Nur das bißchen Mut hätte ich
aufbringen müssen, es zu tun. Wer weiß es denn, daß wir jetzt in
der Dunkelheit diesen einsamen Pfad am Rand der Steinbrüche
entlanggehen?
Niemand. Im Gegenteil. Jeder kennt meine Abneigung gegen
diese Art sinnloser Lauferei durch die Botanik, die man
gewöhnlich Spaziergang nennt. Meine Welt sind: die Stadt,
Straßen, asphaltierte Fußwege, Schaufenster; Angelika hingegen
ist Naturschwärmerin. Sie kann stundenlang auf einer Wiese
liegen, in die Wolken starren und plötzlich mit einem ganz
blöden Satz aufwarten, wie etwa im vergangenen Urlaub:
›Eigentlich ist es doch recht kühl in unserer Ehe geworden.‹
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Oder: ›Findest du nicht auch, daß sich viele Menschen oftmals
völlig grundlos ihr Leben schwer machen?‹ Wahrhaftig, auf
solchen Unsinn verfällt sie bei ihrer Spinnerei. Und so etwas
habe ich vor fünf Jahren angehimmelt und geheiratet!
Jedermann weiß, das sie gern allein durchs Gelände streift, in
den Abendstunden am liebsten diesen Weg entlangschlendert,
vor dessen Gefährlichkeit sogar amtliche Tafeln warnen. Und
heute, nach dem Gewitterregen, da alles noch glitschig ist…
Zum Kotzen, meine Chance ist vorüber!
Oder?
»Weißt du, warum ich diesen Weg so liebe, Gerhard?«
Da fängt es schon wieder an! Klar weiß ich es. Allein damals
war damals, doch heute ist heute. Und heute würde ich viel
lieber mit Christina…
Christina! Ja, ich habe es ihr nun zum fünften Male
versprochen, endlich reinen Tisch zu machen. Kneife ich
abermals, verliere ich sie.
Eine hinterhältige Gemeinheit von Angelika, gerade jetzt an
dieses Damals zu erinnern. Damit lähmt sie meinen Willen, nun
wirklich dieser Ehe zu entfliehen. Sie tut mir dann immer wieder
leid, und so verschiebe ich meinen Entschluß von Tag zu Tag.
Die reine Hypnose; nein, Gefühlsduselei. Von einem zum
anderen Male hasse ich mich wegen dieser Schwäche, aber noch
mehr wird mir Angelika zuwider, die mich in dieser Weise
beherrscht, drangsaliert, daß ich manchmal meine, den Verstand
verlieren zu müssen. Es gibt nicht einmal echte Gründe für eine
Scheidung, zumindest keine, die das Gericht überzeugen
könnten. Willigt sie nicht ein, vermasselt sie mir alle meine
Zukunftspläne. Und sie wird sich sträuben, wird darauf
bestehen, daß die Ehe nicht zerrüttet ist. Wo sind sie denn, die
Streitereien, Zänkereien, Schlägereien, die es belegen? Und
Zeugen? Nicht daran zu denken. Dennoch ist es für mich ein
Martyrium, dem ich nur auf gesetzlichem Wege entfliehen kann.
Es sei denn, ich gestehe ein, was ich verheimlichen will und
muß, denn dann würde sie erst recht querschießen. Rein aus
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