Blaulicht 176 - Koch,

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Blaulicht
176
Willi Koch
Der goldene
Schlangenarmreif
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1977
Lizenz-Nr.: 409-160/101/77 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Peter Nitzsche
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 303 1
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Der Juwelier und Goldschmied Ottokar Sander sitzt am
gedeckten Tisch und ist mißgelaunter Stimmung. Eine
geschlagene Viertelstunde wartet er bereits auf sein Frühstück.
Nervös blickt er auf seine Armbanduhr. Acht Uhr dreißig.
»Ulla!« ruft er. »Wie lange soll ich noch warten? Wir müssen ins
Geschäft!«
In diesem Augenblick erscheint seine Frau. Die dampfende
Kaffeekanne in der Hand haltend, nähert sie sich wortlos dem
Tisch. Ulla Sander ist zwanzig Jahre jünger als ihr Mann.
Sie ist immer noch schön und begehrenswert, denkt Sander.
Wie der enganliegende, seidene Morgenmantel ihre Formen
betont! Noch weist ihr hübsches Gesicht keinerlei Falten auf.
Man sieht ihr die Vierzig nicht an. Wie sehr er diese Frau liebt…!
Doch dann bilden sich Unmutsfalten auf seiner Stirn. Die
begierigen Augen erlöschen, werden kalt. »Wenn man, statt sich
zu erholen, nur seinen Vergnügungen nachgeht, die Nacht zum
Tag macht, fällt einem der Alltag schwer«, meint er zynisch.
Bevor Frau Sander ein Wort über die Lippen bringt, herrscht
der Gatte sie an. »Hatte ich dich nicht gebeten, mir am
Sonnabend auf die Datsche zu folgen? Da hattest du mir
monatelang in den Ohren gelegen, das herrliche Grundstück zu
kaufen. Ich scheute weder Geld noch Mühe, ließ einen
Bungalow hinsetzen, der seinen zweiten sucht, und nun kann ich
meine wohlverdiente Ruhe an den Wochenenden allein
genießen, starre abends die Tapetenwände an und führe
Selbstgespräche. Das ist ein Leben! Meinst du, ich bemerke
nicht, wie die Nachbarn schon über uns tuscheln? Also, wo
warst du? ’raus mit der Sprache!«
Seine Frau schlägt die Augen nieder. »Ich sagte dir bereits, daß
ich bei meiner Freundin war.«
»Das hast du mir weisgemacht«, bestätigt Sander und lächelt
höhnisch. »Hättest sie ja mitbringen können. Du weißt, auf der
Datsche ist Platz genug.«
Frau Sander schüttet den Kaffee ein. Ihre Hände zittern.
»Wenn man sich lange nicht gesehen hat, gibt es halt viel zu
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erzählen. Anett wünschte, daß ich bei ihr blieb. Ich wollte sie
nicht enttäuschen.«
»Aber mich kannst du enttäuschen, was?« Ottokar Sander
betrachtet seine Frau aus zusammengekniffenen Augen. Er stößt
die Kaffeetasse zur Seite, so daß der Inhalt überschwappt und
auf der weißen Damasttischdecke eine braune Lache hinterläßt.
»Iß doch!« bittet ihn seine Frau.
Doch Ottokar Sander ist das Essen vergangen. Mit hastigen
Schritten geht er mehrmals durch das Zimmer. Plötzlich bleibt
er stehen. »Schluß mit dem ganzen Theater!« schreit er. »Ich
werde dir deine Anett beschreiben… Sie hat eine
Tennisspielerfigur, trägt ein Oberlippenbärtchen, heißt Hubert
Groß, wohnt in Berlin-Friedrichshagen, ist Makler und ernährt
sich von undurchsichtigen Geschäftspraktiken, stimmt’s?«
Frau Sander ist blaß geworden. »Es stimmt«, sagt sie nur,
»aber es ist aus zwischen uns. Das mußt du mir glauben!
Wirklich, ich habe Schluß gemacht«, bekräftigt sie noch einmal,
als sie den Zweifel in den Augen ihres Mannes liest. »Du hast
recht, ich habe in der Nacht kein Auge zugetan, bin kreuz und
quer durch die Gegend gefahren. Ich mußte mit mir ins reine
kommen. So, wie es bisher war, konnte es nicht weitergehen.
Das war kein Leben mehr für mich und auch nicht für dich…«
Sander steht bewegungslos, den Mund vor Staunen leicht
geöffnet. Das Blut hämmert in seinen Schläfen.
»Sag das noch einmal!« bittet er. »Ist es war? Du hast wirklich
mit ihm Schluß gemacht? – Und es wird alles wieder so zwischen
uns, wie es einmal war? – Du wirst mich nicht verlassen, wirst
immer bei mir bleiben?«
»Die Nacht war lang. Ich habe mir diese Frage reiflich
überlegt«, sagt sie schlicht. »Wenn du mir verzeihst, etwas
Geduld mit mir hast und mich noch willst, bleibe ich.«
Ottokar Sander stellt keine Fragen, forscht nicht nach
Gründen, ihm genügt die Tatsache, daß seine Frau, die er liebt,
zu ihm zurückgefunden hat. Er tritt auf sie zu und umarmt sie.
Die qualvollen Monate der Pein sind vergeben und vergessen.
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