Blaulicht 185 - Kienast,
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Blaulicht
185
Wolfgang Kienast
Wart nur, bis du nach
Hause kommst
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1978
Lizenz-Nr.: 409-160/101/78 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Jutta de Maiziére
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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Ein Preuße wie Eberhard Wohlgethan – in Prenzlauer Berg
geboren und aufgewachsen – meint immer, wenn er den Ring
um die Steinpleißer Innenstadt geht, es finge gerade erst an.
Aber dann ist er schon einmal ’rum. Dabei ist Steinpleiß eine
Großstadt. Die zweitgrößte der Republik. Er kann sich nicht
daran gewöhnen, daß es Großstädte gibt, die
nicht
aus zwanzig
Kleinstädten zusammengesetzt sind.
Ansonsten ist Eberhard Wohlgethan geduldig. Unbequeme
Pflichten erträgt er aus Einsicht in die Notwendigkeit, obwohl
Major Wendel, der Chef, ihn mitunter sanft kritisiert. Der meint,
Freiheit wäre nicht die bloße Einsicht in die Notwendigkeit,
sondern das Handeln im Sinne einer erkannten Notwendigkeit.
Diesen Tag, den 20. Juni 1975, war der Major allerdings zu
philosophischen Ermahnungen nicht aufgelegt. So eine
Saubande verdarb ihm seit Monaten die Statistik. Steinpleiß ist
wahrhaftig größer als seine Innenstadt. Um ihre Innenstadt
gruppieren sich Gohlis und Leutzsch und Knautkleeberg, Dölitz,
Connewitz, Markkleeberg, Stötteritz und wie die Vorstädte alle
heißen. Dort, in allen Himmelsrichtungen vom Zentrum, trieb
jene Bande ihr Unwesen. Sie war auf Einbrüche spezialisiert und
raubte mit Vorliebe Gaststätten, Verkaufskioske oder kleine
Läden mit nur unvollkommenen Sicherheitsvorkehrungen aus.
Bei der Dienstbesprechung diesen Freitag ließ es der Major
nicht an kräftigen Worten fehlen. Wenn aus Tagen Wochen
werden, steigert sich seine Nervosität nicht wesentlich. Gut Ding
will Weile haben. Man muß bei organisierten Verbrechen erst die
Methode der Täter kennenlernen, ihre Strategie und Taktik
studieren, ehe man gezielt vorgehen kann. Dann wartet man
vielleicht auf den Genossen Oberleutnant Zufall, doch rechnet
man nicht mit ihm. Anders sieht es aus, wenn aus Wochen
Monate werden. Sogar ein sachlicher Mensch wie Major Wendel
ist dann geneigt, sich jenen legendären Kollegen
herbeizuwünschen. In der vergangenen Nacht war der
dreizehnte Einbruch gemeldet worden. Diesmal in der
GRÜNEN SCHÄNKE in Reudnitz. Drei Umstände gab es, die
die Bande fast unaufgreifbar machten. Zuerst die unglaubliche
Flexibilität; als stammten die verschiedenen Verbrechen nicht
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von denselben Leuten, ließ sich keine exakte Handschrift
feststellen. Die große Klammer waren nur die Einbrüche selbst,
exakt ausbaldowerte Coups, die das gründlichste Studium des
Objekts verrieten. Schließlich vermieden es die Täter, Dinge
mitgehen zu lassen, die sie, entweder beim Absatz oder beim
persönlichen Gebrauch, verraten könnten. So nahmen sie in der
Hauptsache Geld, Spirituosen und Tabakwaren. Major Wendel
referierte grimmig über die Ziellosigkeit ihres bisherigen
Vorgehens. Jeder Streifenpolizist wußte Bescheid, die
Bevölkerung war in der Tagespresse zur Mithilfe aufgerufen
worden, alle einschlägig Bekannten wurden kontrolliert. Der
Rest war Schweigen, und dieses Schweigen hatte nun dazu
geführt, daß die Bezirksbehörde eine Sonderkommission
einsetzen wollte, um die Bande endlich dingfest zu machen.
»Wenn es in der Republik kein organisiertes Verbrechen mehr
gibt«, hatte der Leiter der K in der Bezirksbehörde durchs
Telefon dem Major ins Ohr geschrien, »haben wir, verdammt
noch mal, die Pflicht, das in die Tat umzusetzen!« Wendel hatte
ihn noch nie schreien gehört. Natürlich, es kursierten bereits
Gerüchte in der Stadt, und die Goldschmiede begannen abends
ihre Auslagen aus dem Fenster zu nehmen. Wie sieht denn so
was aus, in einer Weltstadt, die ein Dutzend Messen im Jahr –
darunter zwei weltweit bekannte – ausrichtet und sogar Löwen
nach Afrika exportiert?
Die allgemeine Betretenheit nach dieser Standpauke zum
Wochenende erfaßte sogar Eberhard Wohlgethan, der sich
zurückhaltend ganz hinten niedergesetzt hatte. Er versuchte sich
einzureden, daß ihn das nur bedingt anging. Er war nicht im
Ermittlungsdienst, sondern betrieb die sogenannte
Öffentlichkeitsarbeit. Gewiß, die Pressemitteilungen oblagen
ihm, besonders die ständige Rubrik im TAGEBLATT: »Die K
greift ein!« Daß er ebenfalls ein wachsames Auge und ein offenes
Ohr hatte, wenn er durch die Stadt ging, verstand sich von
selbst, doch man brauchte auch eine tüchtige Portion Glück, um
Konkretes aufzudecken. Deshalb wurde er leicht blaß, als Major
Wendel gerade ihn quer durch den Raum fixierte und ihn mit
etwas zu freundlicher Stimme in sein Büro bat.
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