Blaulicht 190 - Ufer,

[ Pobierz całość w formacie PDF ]
-1-
Blaulicht
190
Fred Ufer
Am Nachmittag
träumt man nicht
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
-2-
 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1978
Lizenz-Nr.: 409-160/107/78 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Martina Günther
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 351 7
00025
-3-
Ich liege auf dem Bett und starre die Decke an. Es ist still in der
Wohnung. Das muß sein, wenn man mit sich reden will. Über
sich.
Der von der Kripo wird nicht lockerlassen. »Das war nicht
unser letztes Gespräch, Herr Schuster!«
Ich muß wissen, was ich das nächste Mal sagen werde. Er wird
wieder seine Ursachenforschung betreiben und nach Gründen
suchen.
Vor Jahren war das einfacher. Ich besitze einen Band
Gerichtsreportagen aus den fünfziger Jahren. Kam da ein junger
Kerl auf die sogenannte schiefe Bahn, lag es an den Schmökern
aus dem Westen, am Westfernsehen und an den Kinobesuchen in
Westberlin. Aber ich habe höchstens vier oder fünf Schwarten von
drüben gelesen, und Westfernsehen ist bei uns nicht drin. Zu
bergig. Wir leben in der Gegend, aus der bei der Wahl unserer
Fernsehlieblinge die meisten Zuschriften kommen. Nur die auf
den Höhen empfangen bei gutem Wetter das erste Programm
vom Ochsenkopf. Wir wohnen im Tal.
Nein, so einfach darf ich es mir nicht machen. Das ist
komplizierter.
Ich bin Jahrgang 58, frisch gemustert, kerngesund, geboren, als
die sozialistischen Produktionsverhältnisse schon fast gesiegt
hatten. Da muß ich wohl ein bißchen in mich hineinhorchen, um
dahinterzukommen, was ich mir dachte, als ich das Ding drehte.
Wie alles angefangen hat.
Beim Festappell? Kaum. Das war schon Wirkung, nicht
Ursache, dialektisch betrachtet. Doch Wirkungen sind wichtig. Es
lohnt sich, darüber nachzudenken.
In Sechserreihen bauen wir uns vor dem Direx auf. Übergabe der
Studienzulassungen. Händeschütteln. Klatschen. Ihr-habt-es-
geschafft-Blicke der unteren Klassen. Sie machen richtige
Heiligabendgesichter, mit den Papierchen in den Händen, und Dr.
Kleinig redet auf uns ein: Früchte zielstrebiger Arbeit, gemeinsame
Erfolge der Schule, der FDJ, der anderen gesellschaftlichen
Erziehungsträger, Meilenstein auf dem Weg zum Abitur, Ansporn
-
4
-
zu noch höheren Leistungen. – Mindestens eine Viertelstunde,
immer in der gleichen Preislage.
Gilt das auch für mich, den einzigen in der 12 b, der kein
Papierchen erhalten hat und der nicht willig ist, sich in eine andere
Studienrichtung umlenken zu lassen? Sie beäugen ihre
Immatrikulationsbescheide, Kleinigs gewichtige Worte über die
Rolle des Kollektivs sind untermalt vom Rascheln der
Stipendienanträge und der Listen anzuschaffender Literatur.
Wir sind ein gutes Kollektiv. Wir haben es selbst eingeschätzt,
mehrfach, Mox und der Direx ebenfalls. Alle haben die gleich gute
Lernhaltung in allen Fächern, alle diskutieren offensiv über aktuell-
politische Probleme, alle haben Anteil am Erringen der vielen
Urkunden.
Ich habe nichts gegen Lernen und Diskutieren, im Gegenteil.
Nur mußte ich mich neulich fragen, ob sich ein gutes Kollektiv
dadurch auszeichnet, daß alle das gleiche gleich gut und gleich
begeistert tun. Man könnte doch beispielsweise statt der Themen
des FDJ-Studienjahres – Mox bringt das viel besser in Stabü – mal
Engels’ ganzen »Ludwig Feuerbach und der Ausgang der
klassischen deutschen Philosophie« lesen. Nicht nur die paar
Seiten, die im Unterricht verlangt werden. Vielleicht in Gruppen,
die einen den »Feuerbach«, die anderen den »Anti-Dühring«, jeder
das, was ihn interessiert, und dann darüber reden.
Hartmut Dölling, der FDJ-Sekretär, hat gemeint, das wäre
sicher gar nicht übel, doch da seien die GOL und die zentralen
Vorgaben. Die meisten haben sich ausgeschwiegen, für die ist ihr
Durchschnitt das Wichtigste. Einer mit 1,3 steht ganz anders da als
einer mit 2,3. Und eine vernünftige Beurteilung brauchen wir auch.
Schuster, laß uns zufrieden mit deinen unausgegorenen Ideen. Wir
sind ein gutes Kollektiv. Hättest du Querkopf nicht dauernd etwas
herumzunörgeln, wären wir noch besser.
Ursprünglich wollte ich gar nicht zur EOS. Die mittlere Reife
hätte genügt, eine Buchhändlerlehre aufzunehmen.
Mein
Wunschtraum.
-
5
-
[ Pobierz całość w formacie PDF ]

  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • wolaosowinska.xlx.pl
  •