Blaulicht 191 - Plath,

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Blaulicht
191
Hariette Plath
Das tote Mädchen
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1978
Lizenz-Nr.: 409-160/108/78 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Sibylla Ponizil
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 352 5
00045
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Der Mittwoch hatte gut angefangen. Im Rapport stand, daß die
Kriminalpolizei in Lichtenberg einen lang gesuchten Einbrecher
festnehmen konnte. Er hatte eine Reihe von
Wohnungseinbrüchen begangen. Diesmal aber war er bei einem
simplen Mopeddiebstahl von einer Streife ertappt worden. Man
fand Diebeswerkzeug bei ihm, und die Wohnungsdurchsuchung
förderte gestohlene Gegenstände ans Tageslicht. Da konnten
ihm mit einem Schlag zwölf ungeklärte Straftaten nachgewiesen
werden. Zwei davon hatte ich zu bearbeiten. Leider war nicht
mir der Erfolg zuzuschreiben. Ich freute mich trotzdem.
Mäuschen sah mir meine Freude an. Sie hantierte mit dem
Kocher, wollte Kaffee machen. Für sich, für mich und den einen
oder anderen Genossen, der wie ich in diesem Amt täglich Fälle
bearbeitete. Eigentumsdelikte, Sachbeschädigungen,
Körperverletzungen, hin und wieder Sexualdelikte oder andere
gegen Leben und Gesundheit gerichtete Straftaten, darunter
auch sogenannte Leichensachen. Für einen Außenstehenden
sicherlich ein fürchterliches Wort. Wir nannten jene Fälle so, bei
denen Menschen eines unnatürlichen Todes starben und die
Todesursache noch nicht einwandfrei geklärt ist. Bei einem
Unfall konnte die fahrlässige Schuld Dritter vorliegen. Ein
Selbstmord konnte vorgetäuscht, der Tod durch dritte Hand
herbeigeführt worden sein.
Mauschen fragte mich einmal, warum sagt ihr eigentlich
immer »Tod durch dritte Hand« oder »durch Dritte«, warum
nicht Zweite? Ich versuchte ihr das zu erklären: Ein Mensch hat
nur zwei Hände, und wenn er keines natürlichen Todes stirbt,
Unfall oder Selbstmord ausgeschlossen werden müssen, kann
der Tod nur durch »dritte Hand« oder durch »Dritte« verursacht
worden sein. Denn nicht immer steht gleich fest, ob es einen
oder mehrere Täter gibt. Ich war mir allerdings nicht sicher,
wieweit meine Erklärung mit den rechtstheoretischen
Auffassungen übereinstimmte.
Mir schmeckte der Kaffee ausgezeichnet. Ich dankte
Mäuschen dafür und beschäftigte mich noch einmal mit der
Vernehmung vom Freitag. Das Geständnis eines Jungen,
achtzehn Jahre alt, der seiner Großmutter das gesamte Spargeld
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gestohlen hatte. Nachdem sie erfuhr, daß ihr Enkelsohn der
Täter war, hätte sie am liebsten die Anzeige zurückgezogen.
Doch der Junge hatte auch noch zahlreiche andere Diebstähle
begangen, und so mußte die Sache dem Staatsanwalt vorgelegt
werden. Ich wollte heute den Schlußbericht schreiben.
Plötzlich kam Backi ins Zimmer gestürmt. Er hatte nicht
einmal angeklopft. »Eine Leichensache, Chefin«, rief er mir zu.
»Sie haben doch diese Woche Leichendienst.«
Backi goß sich eine Tasse Kaffee ein. Eigentlich hieß er
Bachmann, Leutnant der K Achim Bachmann. Irgendwer hatte
ihm einmal diesen Spitznamen gegeben. Sicherlich wegen seines
runden, vollen Gesichts. Das strenge »Genosse Leutnant
Sowieso« oder »Genossin Hauptmann Soundso« wurde nur
angewandt, wenn wir »Kundschaft« im Zimmer hatten oder
wenn ein Vorgesetzter anwesend war. Ansonsten nannten mich
meine Mitarbeiter nur »Chefin«. Es war weniger ein Spitzname
denn eine Bezeichnung, die sowohl unser freundschaftliches
Verhältnis zueinander als auch die Achtung meiner Mitarbeiter
mir gegenüber ausdrückte. Ich fühlte mich zugegebenermaßen
geschmeichelt. An meinen Dienstgrad war ich gewohnt. Jeder
andere Genosse unserer Dienststelle und meine Vorgesetzten
sprachen mich ohnehin nur damit an.
»Also, was ist, wo ist es?« fragte ich und packte meinen
Schreibblock in die Tasche.
»Neumannstraße dreizehn, Neubau, achte Etage,
Funkstreifenwagen am Ort, OdH hat mich soeben verständigt«,
antwortete Backi im Telegrammstil. »Gas«, setzte er hinzu,
»junge Frau, Rosemarie Detlof.«
Mäuschen schaute mich an.
»Mach bitte den Schlußbericht fertig«, bat ich sie.
Sie brauchte nur noch die Beweismittel aufzuführen und
besaß genug Routine, die ihr Selbständigkeit in solchen Dingen
erlaubte. Sie war eine ausgezeichnete Sekretärin.
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