Blaulicht 201 - Drews,
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Blaulicht
201
Manfred Drews
Die Vernehmung
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1980
Lizenz-Nr.: 409-160/112/80 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Regine Schulz/Burckhard Labowski
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 449 9
00045
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Hannes V. sieht auf die Armbanduhr. Er drückt die Zigarette
aus, schiebt den Aktendeckel, in dem er gelesen hat, beiseite. Er
fingert aus der Geldbörse eine kleine, hellrote Papiermarke, legt
sie griffbereit in die Mitte des Schreibtisches. Gleich wird das
Telefon klingeln. Seine Genossen werden ihn zum Mittagessen
rufen.
Das Telefon klingelt. Hannes V. nimmt den Hörer und sagt:
»Mahlzeit.«
Er
korrigiert
sich
im
selben
Atemzug:
»Morduntersuchungskommission, Hauptmann V…«
Während er mit der Schulter den Hörer an das Ohr preßt,
schreibt er eine Stadtteilbezeichnung, einen Straßennamen, eine
Hausnummer und einen Familiennamen. »Verstanden, Ende!«
Er wählt drei verschiedene Rufnummern und sagt dreimal:
»Icke, Einsatz!«
Der Mann schiebt die Essenmarke zum äußersten
Schreibtischrand. Einsatz! Der Reiz, der eben noch von dem
hellroten Papierstück ausging, ist gelöscht.
Das neue Signal bestimmt sein Tun. Er geht zum
Panzerschrank, greift die Halfter, kontrolliert die Waffe. Ohne
hinzuschauen, nimmt er die Aktentasche und stellt sie auf den
Tisch. Die Schlösser klicken. Die Finger gleiten prüfend über die
Mappen. Vordrucke, Tabellen. Durchschlagpapier, Blaubogen,
Farbstifte. Nichts fehlt. Ein Schreibtisch in einer Aktentasche.
Der Hauptmann will die Aktentasche wieder schließen, hält
aber in der Bewegung inne. Er greift in ein Schreibtischfach und
läßt drei Schachteln Zigaretten in die Tasche fallen.
Hauptmann V. steht kurz darauf im kamelfarbenen Mantel am
Tisch. Die Hände ruhen auf der Aktentasche. Er ist
einsatzbereit. Während er auf seine Mitarbeiter wartet, kreisen
seine Gedanken um die knappen Angaben, die ihm mit dem
Einsatzbefehl übermittelt wurden. Er hat ein bestimmtes
Stadtgebiet vor Augen, eine Straße, und er bedenkt die kürzeste
Strecke, um dorthin zu gelangen, und entscheidet, mit welchen
Fahrzeugen sie fahren werden. Kein Gedanke mehr. Er versucht
nicht, sich den Ereignisort vorzustellen. Auch nicht, was alles auf
ihn einstürmen wird. Als er in dieser Kommission anfing, hatte
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er es versucht, aber sehr schnell festgestellt, daß ihn das nur
ablenkte. Die Ruhe, die in diesen Minuten von ihm ausgeht, ist
nicht äußerlich. Sie ist weder erzwungen noch befohlen. Er hat
sie sich mit der Zeit angeeignet.
»Mahlzeit!« sagt hintergründig der junge, untersetzte
Oberleutnant, der das Zimmer betritt. Und so grüßen sie alle.
Der eine sagt das Wort humorig, ein anderer sachlich. Keiner
sagt es entsagungsvoll. Jede Tätigkeit hat ihre festen Abläufe und
Besonderheiten. Hannes V. und die Mitarbeiter der Kommission
sind darauf eingestellt, zu handeln, wenn sie zum Einsatz
gerufen werden.
Höchstens drei, vier Minuten sind vergangen. Sie haben ihre
Arbeiten abrupt unterbrochen und die Materialien so abgelegt,
daß ein anderer Kriminalist sofort daran weiterarbeiten könnte.
Die Kommission ist in Hannes V.s Zimmer versammelt.
Der Untersuchungsführer sagt: »Bergstraße sieben. Ein
Wohnungsbrand und eine weibliche Leiche. Alfred fährt mit mir.
Werner, Bernd, ihr wißt, wer mit euch fährt. Ab!«
Bergstraße sieben – das ist ein Aufgang in einem
Neubaublock. Eine Dreizimmerwohnung in der fünften Etage.
Schutzpolizisten und Feuerwehrleute haben den Einsatzort
abgeschirmt, einen Fahrstuhl reserviert, Zeugen namhaft
gemacht
und
so
den
Arbeitsbeginn
der
Morduntersuchungskommission vorbereitet.
Kurz darauf steht Hauptmann V. vor der angelehnten
Wohnungstür in der fünften Etage. Der Funkwagenführer zählt
schnell noch einmal die Personen auf, die sich seit ihrer Ankunft
in der Wohnung aufgehalten haben. Der Kriminalist nickt
wortlos mit dem Kopf und drückt mit seinem Kugelschreiber
die Wohnungstür auf. Nun hat er einen kleinen, fast
quadratischen Korridor vor sich.
»Links, die Frau liegt in der Küche!« sagt der Schutzpolizist
beflissen.
»Danke!«
Das Wort kommt ihm nicht so freundlich über die Lippen,
wie er seinem Genossen eigentlich antworten sollte. Hannes V.
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