Blaulicht 202 - Prodöhl,

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Blaulicht
202
Günter Prodöhl
Der Todesengel von
Krähenwinkel
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin Berlin 1980
Lizenz Nr 409 160/113/80 LSV 7004
Umschlagentwurf: Wolfgang Theiler
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 450 1
00025
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Steintorplatz in Hannover: Zentrum des Nachtlebens der
niedersächsischen Landeshauptstadt, Marktplatz der käuflichen
Liebe. Jeden Abend, vom Einbruch der Dunkelheit bis zur
Polizeistunde der umliegenden Kneipen, Bars und Striptease-
Lokale, stehen hier die Damen des ältesten Gewerbes der
Weltgeschichte und halten Ausschau nach allein und langsam
fahrenden Herren in möglichst großen Straßenkreuzern mit
Liegesitzen. An gewöhnlichen Wochentagen sind es ein oder
zwei Dutzend, je nach Witterung, an Samstagen erreicht ihre
Zahl Kompaniestärke, zur alljährlichen Maschinenmesse aber
sind sie nicht mehr zu zählen.
Am 10. März des Jahres 1958, um einundzwanzig Uhr,
befindet sich jedoch nur eine einzige von ihnen auf dem
Steintorplatz. Sie ist blond, sehr jung, sehr hübsch und sieht
eigentlich gar nicht so aus, als würde sie auf diese anrüchige
Weise Männerbekanntschaften machen. Sie steht gegen eine
Litfaßsäule gelehnt, die Hände in die Taschen eines nicht gerade
eleganten Mäntelchens vergraben, und sieht gelangweilt einem
Volkswagen entgegen, der langsam auf sie zufährt. Als das Auto
sich ihr bis auf wenige Meter genähert hat, stößt sie sich mit der
linken Schulter von der Litfaßsäule ab und geht mit wiegenden
Hüften auf den Wagen zu. Der Fahrer steuert an die
Bordsteinkante heran, beugt sich zur Seite und öffnet die
Wagentür. Er lehnt sich heraus und fragt in gequältem Ton: »Na,
schönes Kind, haben Sie ein bißchen Zeit für mich? Dann
steigen Sie doch ein.«
Er sagt das stotternd und unbeholfen, und es sieht aus, als
versuchte er zum ersten Male in seinem Leben, auf diese Weise
ein Mädchen kennenzulernen. Donnernd erschallt plötzlich aus
dem Hintergrund eine Feldwebelstimme über den Steintorplatz:
»Mensch, Schramm, was stottern Sie sich denn da ab! So
quatscht doch kein Freier eine Nutte an. Das Ganze noch einmal
und ein bißchen echter!«
Es wäre ein Irrtum zu glauben, das eben geschilderte Geschehen
sei eine Szene aus einem Spielfilm, der auf dem hannoverschen
Steintorplatz gedreht wurde. Der Mann in dem Volkswagen ist
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kein Schauspieler, sondern ein braver, für diese Szene wenig
geeigneter Kriminalwachtmeister; das Mädchen ist keine Sofia
Loren, sondern eine echte hannoversche Prostituierte. Sie heißt
Inge Marchlowitz, ist knapp siebzehn Jahre alt und hat wenige
Tage zuvor ein sensationelles Mordgeständnis abgelegt. Zwei
verheiratete Männer, deren Bekanntschaft sie am Steintorplatz
gemacht hatte, will sie in ihren Autos erschossen und dann
beraubt haben!
Der Leiter der hannoverschen Mordkommission,
Kriminalkommissar Herbert Rehberg, ist allerdings über dieses
Geständnis der Siebzehnjährigen keineswegs glücklich, obgleich
er anderthalb Jahre vergeblich nach dem Mörder der beiden
Männer gesucht hat und dabei manche Kritik seiner
Vorgesetzten hat einstecken müssen. So lückenlos das
Geständnis der Marchlowitz auch scheint – er glaubt dem
jungen Ding einfach nicht, daß es solch einer eiskalt berechneten
und ausgeführten Mordtat fähig gewesen ist. Ihn befriedigt die
Lösung dieses Falles, der monatelang die Öffentlichkeit erregt
hat, nicht. Eine Siebzehnjährige, die bei der Tat erst fünfzehn
Jahre alt gewesen war, galt vor Gericht noch als Jugendliche und
konnte höchstens zu zehn Jahren Jugendgefängnis mit Aussicht
auf vorzeitige Begnadigung verurteilt werden. Für zwei grausame
Morde nur fünf oder sechs Jahre Jugendgefängnis – das ist eine
Rechnung, die Rehberg nicht gefällt. Er hat schließlich bei dem
Leiter der Kriminalpolizei von Hannover, Oberregierungsrat Dr.
Zirpins, den Antrag gestellt, von der Filmbildstelle der
Landeskriminalpolizei Niedersachsen einen Lehrfilm für
kriminalwissenschaftliche Zwecke drehen zu lassen. In ihm sollte
jedes Detail der beiden Morde rekonstruiert werden, und
Rehberg hofft, es würde sich dabei erweisen, daß die
Siebzehnjährige die Morde nicht begangen hat.
Die Filmproduktion der niedersächsischen Kriminalpolizei
unterscheidet sich von den Dreharbeiten eines Spielfilms im
wesentlichen nur dadurch, daß sie auf Schauspieler verzichtet
und daß Regisseur, Kameramann, Aufnahmeleiter, Beleuchter
und Statisten Angehörige der Kriminalpolizei sind. Eben wird
die Szene mit dem Volkswagen auf dem Steintorplatz zum
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