Blaulicht 213 - Niemann,

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Blaulicht
213
Peter Niemann
Späte Rechnung
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1981
Lizenz-Nr.: 409-160/106/81 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Peter Laube
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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In diesem Jahr hatte es der April gut gemeint. Temperaturen um
zwanzig Grad waren keine Seltenheit. Von den Launen, die man
diesem Monat nachsagt, war kaum etwas zu merken. Bäume
standen schon in Blüte und erfreuten das Auge. Die Sonne
sorgte für einen prächtigen Rasen und für Blumen. Nachmittags,
wenn ich im Garten arbeitete, wurde mir die Jacke zu warm.
Auch die Leute, die an meinem Zaun vorbeigingen, vor allem die
Teens und Twens und solche, die sich noch dafür hielten, ließen
fast alles, was an den Winter erinnerte, im Kleiderschrank.
Ich liebe meinen Garten und beschäftige mich seit vielen
Jahren in ihm, und ich freute mich, daß ich nach den häßlichen
Monaten, die zurücklagen, wieder mit Spaten und Pflanzholz
hantieren konnte.
Vor ein paar Wochen hatte ich in Stuttgart bei meinem
Antiquar, den ich immer aufsuche, wenn ich in die Stadt fahre,
»Das Jahr des Gärtners« von dem Tschechen Karel Čapek
erstanden, einem Autor, den ich sehr schätze. Ich las abends,
wenn ich mich müde gebückt hatte, darin und gab Čapek aus
tiefster Überzeugung recht:
April, das ist der richtige und gesegnete
Monat des Gärtners. Die Verliebten sollen uns ungeschoren lassen mit
ihrem gepriesenen Mai; im Mai blühen die Bäume und Blumen nur, aber
im April schlagen sie aus; glaubet mir, dieses Keimen und Ausschlagen,
diese Knospen, Knösplein und Keimlinge sind das größte Wunder der
Natur.
Ja, in der Tat, ich war richtig verliebt in das Werden und
Wachsen in diesen Tagen.
Sonntags blieb mancher Spaziergänger stehen, wenn er die
Schönheit meines nicht großen, dafür jedoch um so gepflegteren
Gartens bemerkte. Anerkennende Worte fielen. Das tat mir gut,
denn meine Frau, die gerade bei unserem Sohn in Münster war,
hatte eine tiefe Abneigung gegen die Stunden, die ich der
Gartenarbeit widmete, diesem »Dreckszeug«, wie sie sagte.
Was ich für meine Frau empfand, machte es mir die Jahre
über unmöglich, ihr zu widersprechen, wenn sie über mein
Hobby herzog. Aber ich war traurig darüber, daß sie gar keinen
Blick für die Herrlichkeiten hatte, die unser Garten beherbergte.
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Wie konnte man die wunderschönen Blüten, wie konnte man
all die Früchte, die sie natürlich lieber aß als das chemisch
gedüngte Zeug vom Händler, »Dreckszeug« nennen! Unsere
Kinder sind ebenso. Sie belächeln mich, und ich habe mich
irgendwie schon damit abgefunden. Menschen sind nun einmal
sehr verschieden. Dagegen kann man nichts unternehmen, und
vielleicht sollte man es auch nicht.
Daß das Bücken und Verrenken, ohne das Gartenpflege nicht
möglich ist, zumal bei Hitze und nach harten Arbeitstagen in der
Praxis, meinem schadhaften Kreislauf wenig zuträglich sind,
weiß ich natürlich, aber ich halte es in dieser Beziehung wie viele
meiner Patienten: Ich will es nicht zugeben, will es nicht zur
Kenntnis nehmen, weil ich spüre, wie wohltuend sich die
Betätigung in frischer Luft und der Anblick dessen, was unter
meinen Händen heranwächst, auf meine Stimmung auswirken
und dem Streß entgegenarbeiten.
Obwohl ich fast jeden Menschen in Umbrach kenne, habe ich
in all den Jahren, in denen ich hier praktiziere, mit niemandem
Freundschaft geschlossen. Man sagt mir nach, ich sei ein guter
Arzt, aber unzugänglich. Letzteres stimmt insofern, als ich nicht
gern nutzlose Worte mache. Ich habe meist meine berufliche
Arbeit im Kopf, schlage mich mit fachlichen Problemen herum,
von denen in Umbrach keiner etwas versteht, mit denen ich
mich aber beschäftige, um ein guter Arzt bleiben zu können. Da
stehlen mir gegenstandslos Unterhaltungen lediglich die kostbare
Zeit. Doch hin und wieder kommt es vor, daß ich gegenüber
jedermann gesprächig werde; wenn man an meinem Zaun
stehenbleibt und mich nach den Namen von Blumen und
Pflanzen fragt. Die Leute wissen ja heutzutage so gut wie nichts
mehr über die Natur, können kaum noch die wichtigsten
Laubbäume unterscheiden, an denen sie täglich vorübergehen
oder -rasen. Und so erkläre ich denn bereitwillig den
Unterschied zwischen Gänse- und Gemskresse, sage
Interessierten, welche Lebensbedingungen, welche Pflege dieses
oder jenes braucht, fühle mich gut und gesund dabei und
vergesse meine zweiundsechzig Lenze und was damit
zusammenhängt.
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