Blaulicht 216 - Siebe,

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Blaulicht
216
Hans Siebe
Suizid
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1982
Lizenz-Nr.: 409-160/112/82 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Jens Prockat
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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Vor dem Haus Rosenweg 11 hält ein Funkstreifenwagen
der Volkspolizei; das Motorgeräusch verstummt, nur die
Scheibenwischer summen weiter und kämpfen gegen den
Regen an, der wie aus Eimern vom tristgrauen Himmel
niederstürzt.
Waltraud Pauli verläßt das Fahrzeug als erste und
schlägt fröstelnd den Mantelkragen hoch. Oberleutnant
Leiber folgt ihr und sieht, daß sie unter dem Mantel einen
Ladenkittel trägt. Zuletzt steigt Kriminalmeister Koch aus
und eilt ihnen hinterher.
Leiber hat Mühe, mit der Frau Schritt zu halten, die vor
ihm die Stufen erklimmt. Waltraud Pauli ist
achtunddreißig, mittelgroß und ansehnlich, eine Frau,
nach der sich auch jüngere Männer umsehen. Sie klingelt
vergeblich und klopft an die Tür mit dem Namensschild
»Löhnefink«. Hinter dem massiven Holz mit dem
geschnitzten Zierat, den man nur noch in älteren
Miethäusern findet, rührt sich nichts.
»Das ist doch sinnlos! Bitte…«, drängt sie.
»Wo wohnt denn der Hausverwalter?« fragt Leiber.
»Wegen des Zweitschlüssels«, ergänzt Koch. – Kaum,
daß er zum Dienst erschien, stürmte die Bürgerin Pauli
mit der Behauptung in die Inspektion, daß ihrer Schwester
etwas passiert sei, sie wisse es ganz sicher.
Koch vergaß in der Eile, die neue Wildlederjacke mit
der alten zu vertauschen, die hing nun im Spind, und der
Regen würde der neuen sicher nicht gut bekommen.
»Das kostet doch wieder Zeit«, erklärt Frau Pauli
ungeduldig. »Sie müssen aufbrechen!«
»Nein, nein, so einfach geht das nicht«, widerspricht
Leiber, »und bloß auf ein Gefühl hin, nichts Stichhaltiges.
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Wir drücken die Tür ein, und nachher kommt Ihre
Schwester munter die Treppe ‘rauf!«
Die Nachbarin tritt auf die Schwelle und erkundigt sich
vorsichtig nach der Ursache des Lärms.
»Haben Sie heute meine Schwester gesehen?« fragt
Waltraud Pauli.
»Ist sie denn nicht zur Arbeit?« lautet die Gegenfrage. In
das wohlgenährte Gesicht mit der ungewöhnlich
dickglasigen Brille tritt ein besorgter, beinahe ängstlicher
Ausdruck. »Sie wird doch nicht krank sein?«
Auf Waltraud Paulis Antlitz erscheint Ablehnung, sie
erinnert sich nicht gern der übertriebenen Freundschaft
Lucies zu dieser Anita Bunge.
Koch handelt in solchen Fällen praktisch und fragt nach
den Schlüsseln der Nachbarin, vielleicht funktioniert einer
davon, aber Fräulein Bunge überrascht mit der Mitteilung,
daß sie noch einen Schlüssel zur Nachbarwohnung
besitzt. Als Leiber sie verblüfft anschaut, errötet sie heftig.
Der Patentschlüssel ist ein Relikt jener inzwischen
abgekühlten innigen Beziehung zwischen den beiden
Frauen, vermutet Waltraud Pauli.
Sie drängt an Koch vorbei in den Flur. Die
Kriminalisten folgen ihr auf dem Fuße, als sie zielsicher in
das Zimmer stürmt. Leiber verharrt hinter ihr auf der
Schwelle, und das erste, was er wahrnimmt, ist ein
Pantoffel, der auf dem Teppich liegt, ein dunkelgrünes
Seidenpantöffelchen mit weißen, gestickten Ornamenten.
»Lucie!« ruft Frau Pauli mit erstickender Stimme.
Koch räuspert sich. »Ihre Schwester?« Er nickt zu der
Gestalt auf der Couch hin.
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