Blaulicht 225 - Eik,
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Blaulicht
225
Jan Eik
Ein Bett für eine Nacht
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1983
Lizenz-Nr.: 409-160/153/83 · LSV 7004
Umschlagentwurf: Axel Frohn
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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Als Josef Kaczmierczak die Saaltür hinter sich schließt, umfängt
ihn die Stille im ersten Augenblick wie eine Wattewolke.
Erschöpft lehnt er sich an die Wand und wischt sich mit seinem
Kavaliertaschentuch die Schweißperlen von der Glatze. Erst
allmählich dringt das dumpfe Wummern der Baßgitarre von
drinnen wieder an sein Ohr.
Hat er nicht den Pahlke ausdrücklich ermahnt: nicht so eine
elektrische Bumskapelle! Man möchte sich schließlich
unterhalten, gerade bei einer Jahresabschlußfeier. Auch wenn sie
schon im
November stattfindet. Ein anderer Termin war eben
nicht frei. Und eine richtige Kapelle auch nicht. »Die Zeiten, wo
zwei Hanseln mit Akkordeon und Waldzither einen Saal
unterhalten haben, sind vorbei, Jupp«, hat Pahlke gesagt. Dabei
braucht der sich den Lärm mit seinen jungen Ohren nun nicht
einmal anzuhören, wegen dieser Deckenelemente für Frankfurt
an der Oder. Nur ihm, Josef Kaczmierczak, Vorsitzender der
PGH »Aufwärts«, ihm geht dieses Gedröhne regelrecht auf den
Magen. Dagegen hilft nicht einmal Boonekamp.
Im Saal aber ist die Stimmung blendend. Da wird
ausgerechnet er an einem solchen Tag nicht herummeckern,
wenn selbst die Fünfzigjährigen tun, als hätten sie in ihrem
Leben nie etwas anderes als diesen Rock und Entroll getanzt.
Kaczmierczak biegt um die Ecke, wo es zu den Toiletten geht.
Eine Frau kommt ihm entgegen, hochrot im Gesicht. Sie lacht
ihn an und fragt schelmisch: »Kleine Tanzpause?«
Josef guckt auf ihre durchsichtige Bluse und antwortet, noch
immer halb taub, laut und ehrlich: »Habe ich verdient!«
Vor der Garderobe steht noch eine von den Frauen, mit dem
Rücken zu Josef oder vielmehr mit dem Hinterteil, denn sie ist
tief gebückt und mit gerafftem Rock damit beschäftigt, ihren
weinroten Stiefel anzuziehen. Wohlgefällig blickt Josef auf dieses
Bild. Sieh an, die Iris will das festliche Ereignis schon verlassen.
Es ist noch nicht einmal halb elf.
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Iris Maiwald hält den zweiten Stiefel in der Hand, und weil sie
auf dem einen Absatz schwankend keinen Halt findet, springt
Josef eilig dazu und stützt sie mit festem Griff. Erschrocken
versucht sie einen Augenblick lang, ihn abzuwehren. Doch als
sie Josef erkennt, lächelt sie sogar.
Josef schickt sein strahlendstes Lächeln zurück. »Müssen Sie
wirklich schon gehen?« fragt er munter. Im gleichen Augenblick
fällt ihm ein, daß er selbst schließlich den Pahlke nach Frankfurt
geschickt hat. Die Iris muß das auch wissen.
»Es ist spät genug. Ich habe zu Hause eine Familie«, sagt sie in
dem Ton, der ihr in den acht Jahren ihrer Zugehörigkeit zur
PGH so wenig Freunde gewonnen hat, wenn man von Pahlke
einmal absieht, und noch weniger Freundinnen. Und die Familie
zu Hause besteht nur aus dem Mann, den sie hätte mitbringen
können. Die Tochter studiert in Berlin, wie Kaczmierczak weiß.
Iris erwähnt das nie, damit nur keiner ausrechnet, daß sie selber
auf die Vierzig zugeht. Man sieht es ihr nicht an, und ihr Mann
ist mindestens zehn Jahre älter. Aber dafür ist der Pahlke gerade
erst dreißig…
Auf das Gerede der Kollegen will Josef nichts geben. Er
glaubt nur, was er selbst sieht, und möglicherweise steht der
Herr Maiwald draußen vor dem »Kastanienhof« und wartet auf
seine Frau. Der fühlt sich wohl als was Besseres, seit er das
Geschäft der Eltern übernommen hat. Aber wenn er etwas
braucht, dann findet er immer zu Josef Kaczmierczak. Ob die
Iris nur deshalb oder für ihr Taschengeld in seinem Vorzimmer
die Materialdisponentin spielt, darüber macht sich Kaczmierczak
keine Sorgen. Jedenfalls hat sie ihren Diethmar fest in der Hand
wie das Geld aus dem Laden, in dem sie nicht arbeiten will.
Sie sieht verteufelt gut aus, schlank und immer exquisit
gekleidet, und das hochaufgetürmte Haar frisiert, als schliefe sie
im Stehen. Jetzt knotet sie sorgfältig ein Kopftuch darüber.
»Gerade wollt ich mit Ihnen tanzen«, sagt Kaczmierczak
treuherzig. Als er die winzige Falte an ihrer Nasenwurzel
bemerkt, fügt er hinzu: »Oder was ich so tanzen nenne.«
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