Blaulicht 247 - Slawtschew,
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Blaulicht
247
Swetoslaw Slawtschew
Unsichtbare Spuren
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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Originaltitel:
aus dem Band:
© by Swetoslaw Slawtschew, 1984
c/o JUSAUTOR, Sofia
Aus dem Bulgarischen von Egon Hartmann
Für Blaulicht leicht gekürzt
1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1986
(deutschsprachige Ausgabe)
Lizenz Nr.: 409 160/201/86 LSV 7244
Umschlagentwurf Erhard Grüttner
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 694 5
00045
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In raschem Tempo ging er die Chaussee entlang. Der Weg war
ihm so bekannt, daß er ihn auch nachts hätte gehen können. Die
Sonne verschwand am Horizont, und von den Bergen senkte
sich die bläuliche Dämmerung herab, nur im Westen war der
Himmel noch rosa und klar.
Hätte ich auf ihn gewartet, wäre es noch später geworden,
dachte der Mann und nahm den kleinen Beutel von der rechten
in die linke Hand. Morgen muß ich nach den Bienenstöcken
sehen, das Wetter wird gut sein. Er ließ den Blick über die Berge
und den rosa Widerschein gleiten, dann über die reglosen
Pappeln am Straßenrand, und marschierte weiter. Mit
zischenden Reifen fuhren Autos an ihm vorbei. Manche hatten
bereits die Scheinwerfer eingeschaltet, und in dieser Mischung
aus grauer Dämmerung und weißgelben Lichtern lag etwas
Unwirkliches.
Bis zur Abzweigung rechts, den Hügel entlang, waren es noch
runde hundert Meter. Hier stand auch die Hinweistafel –
abgeblättert und vom Regen nachgedunkelt.
Von hinten kam wieder ein Auto, er hörte das ferne,
gedämpfte Motorengeräusch. Der Mann erreichte die Tafel, sah
wieder zu ihr hinauf, dann zum Himmel über den Bergen.
Das war das letzte, was er sah. Ein reißender Schmerz
explodierte gleichsam in ihm, drang in jede Zelle, bis in die
Fingerspitzen, mit denen er den Beutel hielt.
An dem gekrümmt auf dem Fahrdamm liegenden Verletzten
fuhr zuerst ein grauer Skoda vorbei. Das starke Scheinwerferlicht
glitt über den Mann, erfaßte ihn. Der Fahrer verringerte die
Geschwindigkeit, erhöhte sie plötzlich und verschwand in den
Kurven.
Hinter dem Lenkrad saß ein Mann um die Fünfzig, mit
kurzgeschnittenem, schon ergrautem Haar, scharfen Augen und
einem sonnengebräunten Gesicht. Er saß allein im Wagen, sah
den auf der Chaussee liegenden Mann und begriff. Ihm war
bewußt, daß dort kein Betrunkener lag. Augenblicklich wußte er,
was die Reflexe von Glassplittern, der mehrere Meter weit
fortgeschleuderte Beutel, die unnatürlich verbogenen Arme
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bedeuteten. Er hielt nicht an, er hatte Angst. Wovor, war ihm
selbst nicht klar, er war es nicht gewohnt, sich Komplikationen
im Leben zu stellen. Deshalb legte er die zitternden Hände fest
um das Lenkrad und gab Gas. Trotz seines männlich-sportlichen
Aussehens würde er noch lange von dem Bild auf der
Landstraße träumen, sich aber schließlich beruhigen und es
vergessen.
Und der Halbtote verlor drei Minuten von der Chance,
gerettet zu werden. Weitere zwei Minuten verlor er durch einen
weißen Moskwitsch, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite
vorbeirauschte. Die Leute darin – ein Mann und zwei Frauen –
stritten sich wegen eines Zauns aus Zementpfählen, der am
Sonntag auf dem Grundstück gesetzt werden müsse, für den sie
aber noch kein Transportmittel gefunden hatten. Hätten sie den
Verletzten gesehen, würden sie sich vielleicht seiner
angenommen haben.
Dann kam ein metallgrauer Peugeot vorbei, der das Tempo
auch verlangsamte – seine Bremslichter leuchteten auf –, doch
dann beschleunigte der Peugeot wieder.
Hinter dem Lenkrad saß ein etwa Zwanzigjähriger, neben ihm
ein junges Mädchen. Er hatte ein weiches, fast noch kindliches,
ovales Gesicht und trug eine neue Kordjacke mit großen
Lederflecken an den Ellenbogen. Er chauffierte für sein Alter
ungewöhnlich gut.
Das Mädchen war noch jünger, zierlich und mit großen
dunklen Augen. Im ersten Moment erstarrte es, dann faßte es
nach dem Türgriff und wandte sich verwundert dem Jungen zu,
der den Wagen beschleunigte.
»Waljo!« sagte es. »Dort hat jemand gelegen!«
Der Junge antwortete nicht, hielt das Lenkrad und sah
geradeaus.
»Waljo!« wiederholte das Mädchen laut. »Halt an! Dort lag…«
»Das ist nicht unsere Sache!« entgegnete Waljo oder Walentin
dumpf.
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