Blaulicht 249 - Rönsch,
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Blaulicht
249
Rainer Rönsch
Kinderspiel
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1986
Lizenz Nr.: 409 160/203/86 LSV 7004
Umschlagentwurf Brigitte Ullmann
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 696 1
00045
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Am Montag, dem 2. September 1985, gegen 18 Uhr…
… gerieten auf einem Parkplatz nördlich vom Zentrum der
Bezirksstadt D. zwei Männer miteinander in Streit. Sie saßen in
einem beigefarbenen Wartburg, und der Fahrer, ein
schnurrbärtiger Blonder mit roten Wangen und einer zierlichen
Stupsnase, blickte stur geradeaus auf das dunkel-graue Gebäude
der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei. »Ich habe eben
ein ungutes Gefühl«, knurrte er, »und wenn einem so zumute ist,
dann soll man es lassen!« Er pustete ein Fusselchen von seinem
dunkelblauen Sakko, zu dem er eine hellgraue Hose trug. Diese
Kombination liebte er sehr; er fand, er sah darin elegant und
solid zugleich aus.
Der Mann auf dem Beifahrersitz trug einen verwaschenen
Monteuranzug und wirkte mit ölig glänzendem schwarzem Haar
und dunklem Teint wie ein Südländer. Er sprach allerdings
reinstes Sächsisch, als er seinen Kompagnon aufforderte, endlich
auszusteigen und sich ans Werk zu machen. »Ich versteh gar
nicht, was du hast, Langer! Paßt dir wohl nicht, daß diesmal du
die Kastanien aus dem Feuer holen mußt? Aber du bist dran,
mein Lieber! Schließlich hab ich die Idee gehabt und den
Schlüssel beschafft. Also, zieh ab! Bequemer kannst du es doch
nicht kriegen - die haben nicht mal einen Betriebsschutz. Da
kann es dir nicht passieren, daß du plötzlich nicht weißt, ob du
zuschlagen oder den Rückzug antreten sollst!«
Der Blonde griente. »Wie du mich kennst, würde diese Frage
bei mir sowieso nicht stehen. Kommt mir jemand in die Quere,
ist das sein Pech, nicht meins!«
»Na, um so besser! Direkt unter den Augen der Bullen, davon
wirst du noch deinen Enkeln erzählen.« Der Monteur stieg aus
und warf krachend die Tür zu. Widerstrebend hievte sich der
Blonde vom Fahrersitz. »Ich mach nicht gern was gegen meinen
Instinkt. Wenn ich bloß die Knete nicht schon fest eingeplant
hätte!«
Jetzt griente der Dunkle. »Schulden haste, Langer? Na,
morgen früh nicht mehr. Die Dinger gehn ab wie warme
Semmeln.«
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»Hoffentlich geh ich nicht ab!« Der Blonde ging mit
federnden Schritten davon. Die Anrede »Langer« hätte jeden
unvoreingenommenen Beobachter gewundert, denn der Mann
war gerade mittelgroß.
Um ebendiese Zeit hatte der zehnjährige Alexander Augenstedt
das erste Schwimmtraining nach den großen Ferien hinter sich.
Alexander war ein treuherziges Kerlchen mit wachen gelbgrünen
Augen unter braunem Haar mit Ponyschnitt. Die dritte Klasse
hatte er mit sehr guten Zensuren und einer positiven,
insbesondere seine Kameradschaftlichkeit lobenden Beurteilung
abgeschlossen.
Auch außerhalb der Schule bot er kaum Anlaß zu
Beschwerden. Weder lungerte er wie andere Jungen vor dem
Glashäuschen des Zehngeschossers, die Tür mit Brettern
blockierend, die aus den riesigen Fußabstreichern gerissen
wurden, noch schreckte er die Vorschulkinder durch
Fußballspielen im Sandkasten.
Daß er solche Missetaten unterließ, lag durchaus nicht an
ungesunder Bravheit. Alexander war eigentlich für jeden Spaß zu
haben – aber er benötigte bereits einen Terminkalender, und der
war zumindest an den Wochentagen randvoll. Von Montag bis
Freitag gehörte jeder Nachmittag dem Trainingszentrum
Schwimmen, wo er sich mit Lust und Liebe betätigte, ohne zur
Spitze seines Jahrgangs zu gehören. Doch die Übungsleiter
waren einfühlsame, erfahrene Leute und ließen hin und wieder
die »zweite Garnitur« zu gesonderten Überprüfungen antreten,
so daß auch Alexander wußte, wie man sich auf dem
Siegerpodest fühlt.
Außer dem Schwimmen liebte Alexander von klein auf die
Zahlen. Schon als Knirps hatte er in Bilderbüchern nicht
Hähnchen und Hühnchen oder die wunderschöne Prinzessin
angestaunt, sondern die Seitenzahlen, die zu seinem großen
Entzücken jedesmal genau stimmten. Diese Vorliebe für alles
Numerische hatte ihn ein Spiel entwickeln lassen, das ihn seit
einem Vierteljahr faszinierte. Er nannte es, in Anlehnung an ein
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