Blaulicht 250 - Ansorge,
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Blaulicht
250
Horst Ansorge
Der Fall Telbus
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1986
Lizenz Nr.: 409 160/204/86 LSV 7004
Umschlagentwurf Joachim Gottwald
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 698 8
00025
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I.
So lange ist es noch gar nicht her. Ich arbeitete damals im Süden
bei der MUK. Sonntags früh um halb sieben holten sie mich ab.
Spätsommer war, und ein sonniger Tag hatte begonnen. Als das
Telefon läutete, stand auch schon der Wagen unten vor der Tür.
Ich ließ den Fahrer ’rein, der wie verrückt den Türgong betätigte.
Der Mann war völlig durcheinander. Dabei handelte es sich
um einen alten Hasen, der genausolange wie ich bei der Firma
arbeitete.
»Genosse Major…«
»Ich weiß Bescheid«, beruhigte ich ihn und deutete auf das
Telefon im Flur.
»Aha«, meinte er und wollte weiterreden.
Da schob ich ihn einfach auf den Treppenflur. »Gehen Sie
schon vor, Hauptwachtmeister. In fünf Minuten bin ich soweit.«
Verdutzt verschwand Klingbeil. Sicher hatte ich ihn
enttäuscht. Aber ich wollte jetzt nichts hören und nicht
sprechen. Ich mußte das eben Erfahrene erst selbst verdauen.
Meine Frau kannte das. Sie redete kein Wort, packte mir eine
Stulle fürs Auto und stellte eine Tasse Tee hin…
Telbus war tot. Draußen vor der Stadt hatten ihn Pilzsucher
gefunden. Am Fuße des Aussichtsturmes auf den Gesener
Bergen. Das waren sandig-lehmige Hügel nördlich der Stadt, mit
Kiefern, Birken, einigen Buchen, viel Gras und Büschen. Eine
einsame Gegend. Der Turm verfallen – innen und außen.
Doktor Telbus war für einen bestimmten Kreis und auf seine
Art eine Berühmtheit. Lange Zeit hatte er die Forschungs- und
Entwicklungsabteilung des Kombinates geleitet. Er war Inhaber
mehrerer Patente. Seit vier Wochen nun war er Betriebsdirektor
des kleinen, relativ unbedeutenden Kombinatsbetriebes in
unserer Stadt. Weshalb dieser unerwartete Wechsel? Vielleicht
strafversetzt? Vorsichtige Erkundungen ergaben: auf eigenen
Wunsch.
Das gleiche sagte er auch zu mir. Das war vor dreieinhalb
Wochen. Ich traf ihn zufällig auf der Promenade. Erst dachte
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ich, ich hätte mich geirrt, zumal auch er sehr fremd tat. Aber
dann war er’s doch. Vor neunundzwanzig Jahren lagen wir zu
zweit auf einer Bude in Laubegast im Internat der ABF.
»Für jeden kommt mal die Zeit, wo er ’raus muß aus der
Hektik der zeitfressenden Karriere.«
Dabei sah er gut aus. Kein graues Haar im vollen dunklen
Schopf. Etwas müde um die Augen und… na ja, man ahnte die
fünfzig Lebensjahre, wenn man genauer hinsah.
»Und deine Professur an der TU?«
Er winkte ab. »Sollen Jüngere übernehmen.«
Das klang nicht gut in meinen Ohren. Aber ich freute mich,
daß er hier in der südlichen Bezirksstadt gelandet war. Er
besuchte mich zu Hause, aber nur kurz, dafür zweimal in der
Dienststelle. Hauptwachtmeister Klingbeil schloß ihn sofort in
sein Herz, der Hunde wegen. Er züchtete Schäferhunde in
seinem Vaterhaus am Rande der Stadt, und Telbus kam mit
seinem Teckel.
»Eine Erinnerung an die Zeit, als ich noch auf Jagd ging.«
Ich hielt nichts von Tieren in der Stadtwohnung. Sie stören
mich – und sie tun mir leid. Aber der Teckel gefiel mir. Nicht
seiner Rasse wegen, sondern weil er zu Telbus paßte. Wie alte
Freunde gingen sie miteinander um, Telbus mit Paula und die
Teckeldame mit ihrem Herrn.
Und jetzt stand ich vor dem toten Telbus. Er lag auf der Seite,
etwas gekrümmt, seine grauen Augen himmelwärts ins Leere
gerichtet. Im Morgensonnenlicht fiel mir seine zerknitterte,
fahlgelbliche Gesichtshaut auf. Und er sah erschreckend alt aus.
Ich schaute nach oben. Vom Aussichtsumgang bis hier zum
Fuße des Turmes – eine tödliche Spanne.
Die ganze Mannschaft war am Wirken. Im Turm, oben auf
der umbrüsteten Plattform und hier unten. Die Wagen standen
abseits auf dem Feldweg. Auch der Wartburg von Telbus. Die
Pilzsucher sahen von weitem zu.
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