Blaulicht 256 - Mechtel,

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Blaulicht
256
Hartmut Mechtel
Gesucht: Jo Böttger
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1987
Lizenz Nr.: 409 160/202/87 LSV 7004
Umschlagentwurf Roland Beier
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 748 9
00045
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Mit dem Fall Ostfriedhof bekam ich bereits zu einem
ungewöhnlich frühen Zeitpunkt zu tun. Üblicherweise werden
wir erst hinzugezogen, wenn das Gericht Zweifel an der
Zurechnungsfähigkeit des Täters hat oder aber ein Täter den
Eindruck erwecken will, er sei unzurechnungsfähig. Wir heißen
ja auch Gerichts-, nicht Polizeipsychiater. Mein Name ist Dr. sc.
med. Ernst-Lothar Tanneberg. Ich bin einundvierzig Jahre alt
und arbeite als Assistenzarzt an der Leitinstitution für
gerichtliche Psychiatrie an der Nervenklinik des Bereiches
Medizin der Humboldt-Universität Berlin.
Es war an einem jener heißen Maitage des vergangenen Jahres,
als jeder befürchtete, der Sommer werde sich bereits im Frühling
verausgaben, was dann tatsächlich mehr oder minder eintraf –
doch nicht vom Wetter soll hier die Rede sein, obwohl es das
Verbrechen begünstigt hatte; im verregneten Juni hätte kaum
geschehen können, was mir die außerplanmäßige Reise
einbrachte. Der Chef selber setzte mich davon in Kenntnis, daß
die Kriminalpolizei in N. um gerichtspsychiatrische
Unterstützung gebeten habe, Täterbeurteilung bei einem
laufenden Fall, mehr wisse er auch nicht. Man rechne mit einem
Aufenthalt von vierundzwanzig Stunden bis zu sieben Tagen,
und wegen der Ungewißheit der Dauer sowie der Notwendigkeit
zur sofortigen Abreise sei er auf mich verfallen, der ich als
ungebundener Mann freier als andere über mich verfügen könne.
Ich hätte erwidern wollen, nicht ich, sondern er verfüge über
mich, und ich hätte von meiner Freundin erzählen können, die
telefonisch nicht erreichbar war und sich am Abend über mein
Fernbleiben wundern würde, aber ich nickte, weil mich der
unüblich frühe Ruf in unsere Richtung neugierig gemacht hatte.
Ich ermittelte telefonisch die Abfahrtszeit des nächsten Zuges,
gab, gleichfalls auf Charitékosten – schließlich hatte man es mir
dort eingebrockt –, ein Telegramm an jene Dame auf, die in
diesem Fall keine Rolle spielt, dafür eine desto größere in
meinem Leben, fuhr nach Hause, packte meinen Koffer und
hastete zur S-Bahn. In N. kam ich gegen 16 Uhr an –
Feierabendzeit, auch für mich. Bei der Bahnhofsaufsicht wurde
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ich erwartet. Auf dem Bahnhof wimmelte es von
Transportpolizei, und jeder Mann, der auf den Bahnsteig wollte,
mußte seinen Personalausweis zeigen, was viele der Betroffenen
verärgerte, insonderheit, wenn sie knapp vor Abfahrt des Zuges
erschienen waren und nun wegen des Personenstaus befürchten
mußten, ihn zu verpassen. Der Obermeister, der mich in
Empfang genommen hatte, begleitete mich zu einem
Streifenwagen, und wir fuhren auf kürzestem Wege zur
Bezirksbehörde der Volkspolizei.
Hauptmann Heinrich Rudolph, der Leiter der MUK, mochte
Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig sein. Er hatte völlig ergrautes
Haar, sprach und bewegte sich langsam, sog gemessen an seiner
Pfeife – eine Füllung reichte bei ihm eine halbe Stunde. Seine
Mimik war zurückhaltend, Ausdrucksbewegungen waren selten.
»Ich freue mich, daß Sie so schnell gekommen sind«, sagte er,
ohne daß er sich diese Freude anders denn verbal hätte
anmerken lassen. »Ehe ich Ihnen mitteile, weshalb wir Sie
angefordert haben, möchte ich Ihnen den Fall schildern, um den
es geht.«
»Ich bitte darum«, sagte ich höflich und entzündete eine
Zigarette, was mir einen mißbilligenden Blick eintrug, der wohl
weniger der Tatsache galt, daß ich rauchte – das machte er
schließlich auch, nicht knapp, das Zimmer stank nach Teer –,
sondern der, was ich rauchte – ich sog am Nuckel der Nervösen.
Als Arzt sollte ich es besser wissen – geschenkt.
»In unserer Stadt gibt es zwei Friedhöfe – den Alten Friedhof,
der schon seit Jahrzehnten nicht mehr für Beisetzungen genutzt
wird, und den Neuen oder Ostfriedhof. Dort entdeckte gestern
nachmittag eine Rentnerin zwischen Büschen die Leiche eines
jungen Mädchens. Bei der Toten handelt es sich um Jaqueline
Dube, 18 Jahre, Näherin im hiesigen Kleiderwerk. Sie wurde
vergewaltigt und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei – nicht
davor oder danach – zu Tode gekommen, weil der Täter sie
wohl am Schreien hindern wollte. Der Toten ist nichts
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