Blaulicht 258 - Neuhaus,
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Blaulicht
258
Barbara Neuhaus
Altweibersommer
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1987
Lizenz Nr.: 409 160/204/87 LSV 7004
Umschlagentwurf Joachim Gottwald
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 751 8
00025
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Die Frau lag im Wohnzimmer, nahe der Tür. Ihr blasses Gesicht
war zur Seite gedreht, das kurze, blonde Haar am Hinterkopf
dunkel verklebt. Blut hatte auch den hellgrauen Teppich gefärbt.
Neben der Frau kniete der Arzt. Er hatte ihren Morgenrock und
die Schlafanzugjacke geöffnet und horchte das Herz ab. Auf der
Kante eines Sessels hockte ein junges Mädchen, noch sehr
kindhaft, und schluchzte erschöpft vor sich hin. Die Türen der
Schrankwand standen offen, auch die eines alten Vertikos;
Bücher und Tischwäsche, Dosen und Kästchen waren
herausgerissen. Der Raum machte einen verwüsteten Eindruck.
Das alles sah Oberleutnant Klaus Moll, ohne schon eine
Vorstellung von der Geschichte zu haben, die hier passiert war.
Eine Mieterin aus diesem Haus, Döbelner Zeile einundzwanzig,
hatte vor einer reichlichen halben Stunde angerufen und eine
ziemlich wirre Darstellung gegeben. Einbruch und Mord bei der
Familie Bärwald, aber die Tote, eine Frau Fritsch, gehöre nicht
in die betreffende Wohnung, und die wirklichen Inhaber wären
verschwunden. Moll hatte Böses geahnt, denn einiges an der
überstürzten Mitteilung stimmte mit anderen Meldungen
überein, die ihm in den Wochen zuvor zugeleitet worden waren.
Deshalb hatte er seine Mitarbeiterin, Leutnant Antje Herden, zur
Tatortbesichtigung mitgenommen Vier Augen sehen mehr als
zwei. Beide waren im Flur, vor der offenen Zimmertür,
stehengeblieben, um die Arbeit des Arztes nicht zu behindern.
Der Doktor erhob sich, verstaute das Stethoskop in der
Brusttasche seines Kittels und klopfte sich die Hose ab. »Genug
geweint, Kleine«, wandte er sich an das Mädchen, »Deine Mutti
lebt. Sie hat nur einen schweren Schock und, wie ich glaube, eine
Gehirnerschütterung. Wir werden uns alle Mühe geben, damit
sie bald wieder gesund wird.« Er stieg über eine umgeworfene
Bodenvase zum Fenster, riß einen Flügel auf und rief nach den
Krankenträgern. Das Mädchen schluchzte noch einmal und
stand zögernd auf.
Es hatte das hellblonde Haar der Mutter, nur war es dichter
und fiel lang über die Schultern herab. Die graublauen Augen
blickten ängstlich, aber auch skeptisch-wach.
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»Wir bringen Frau Fritsch jetzt ins Krankenhaus«, sagte der
Arzt zu den Kriminalisten. »Dann kann Ihre Truppe hier
loslegen. Übrigens, Genosse Moll, Zeugen scheint es nicht zu
geben. Höchstens, daß die Kleine ein bißchen was weiß. Und
wann ihre Mutter ansprechbar ist…« Er zuckte zweifelnd mit
den Schultern.
»So etwas habe ich befürchtet«, antwortete Moll. »Vorerst
besten Dank, Doktor. Wir verständigen uns, wenn Sie einen
genauen Befund haben.«
Die Tochter der Verletzten stand immer noch reglos. Antje
Herden ging zu ihr und faßte sie an der Hand. »Du mußt uns
jetzt helfen, so gut du kannst. Wo gibt es hier einen ruhigen Ort?
Und wie heißt du eigentlich?«
»Silke Fritsch. Wir wohnen drüben auf der anderen Seite.«
Zu dritt gingen sie über den Flur. Auf der Treppe erschienen
die Sanitäter mit der Trage. Hinter ihnen polterten die
Kriminaltechniker mit ihren Gerätschaften die Stufen herauf.
In der heimischen Küche, die wie in den meisten
Altbauwohnungen ein Schlauch war und nur durch helle
Gardinen ein wenig Freundlichkeit erhielt, verlor Silke die
Unsicherheit. Sie entschuldigte sich, daß die Zimmer nicht
aufgeräumt wären, bot den Genossen die einzigen beiden Stühle
an und zog für sich einen Hocker unter dem Tisch hervor.
Bereitwillig beantwortete sie alle Fragen.
Silke war vierzehn Jahre alt und ging in die achte Klasse. Sie
erzählte, daß dieser Tag für sie begonnen habe wie seit langem
gewohnt. Sie sei nach dem Weckerklingeln aufgestanden, habe
geduscht und in der Küche gefrühstückt. Ihre Mutter sei
herzkrank, Invalide schon seit Jahren, und brauche viel Schlaf.
Deshalb habe sich Silke leise verhalten und nur vor dem
Weggehen rasch nach ihr sehen wollen.
»Aber das Bett war leer, und der Morgenrock ist auch fort
gewesen. Ich hab’ mich gleich ganz doll erschrocken. Draußen
auf dem Flur sah ich, daß die Tür von Bärwalds nicht richtig zu
war. Da bin ich ‘rein, und dann…« Die Erinnerung packte das
Kind; es fing wieder zu weinen an.
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