Blaulicht 281 - Ansorge,
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Blaulicht
281
Horst Ansorge
Das Bild
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1990
Umschlagentwurf: H.-Jürgen Malik
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: DRUCKZENTRUM BERLIN Grafischer Großbetrieb
622 904 6
00045
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1.
»Entschuldigen Sie, wo geht es zu den Toiletten? Die Kleine…«
Frau Balbach, die diensthabende Aufsicht im Heimatmuseum
von Girgitz, musterte die junge Frau, offenbar die Mutter des
kleinen, etwa vierjährigen Mädchens, bevor sie erwiderte: »Den
Flur entlang, die Treppe abwärts, rechts von der Garderobe.«
»Danke.« Die Frau, schwarzhaarig, im offenen, hellen
Trenchcoat, ein weißes Seidentuch um den Hals, entfernte sich
mit hastigen, schnellen Schritten, das Mädchen hinter sich
herziehend.
Frau Balbach setzte ihren Weg fort. Zuvorkommend wich sie
Besuchern aus, die den Flur durcheilten oder querten. Sonst war
hier kein so reger Betrieb. Seit jedoch die Ausstellung des
Bezirksverbandes der bildenden Künstler
Malerei der achtziger Jahre
hing – allerdings nur in den drei vorderen Räumen –, kamen
erheblich mehr Leute ins Museum.
Stirnrunzelnd blickte sie auf die Bildbetrachter im Hauptraum.
Der Besucherzuwachs irritierte sie. Die gewohnte Atmosphäre
war verlorengegangen. Eigentlich hätte sie sich über die
verbesserte Statistik freuen müssen. Das etwas verträumte
Heimatmuseum war plötzlich bekannt geworden. Die Zeitungen
berichteten, der Bezirkssender hatte eine Reportage gesendet.
Wie oft hatten sie sich solche Popularität gewünscht. Jetzt, da sie
da war, hielt sich ihre Freude in Grenzen. Obwohl für sie und
ihre Ablösung kaum Mehrarbeit entstanden war – die Führungen
in den vorderen Räumen hatten Mitglieder des Verbandes
bildender Künstler übernommen –, belastete sie der ungewohnte
Menschenstrom.
Sie blickte zur Uhr. Schon halb sieben. Jetzt würde es bald
ruhiger werden. Festen Schrittes wandte sie sich nach rechts zu
den Räumen der ständigen Ausstellung. Sie drückte die Brust
heraus, um Selbstbewußtsein zu demonstrieren, wollte sich
weder ihre zweiundsechzig Jahre noch die achtstündige
Dienstzeit anmerken lassen.
Mit einem schnellen Blick überflog sie von der Tür her das
Kabinett. Ihre Brillengläser blitzen. Auch tagsüber brannten die
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Neonröhren, trotz des hohen Fensters an der schmalen
Stirnseite des Raumes. Hier hingen die ihr vertrauten Gemälde
und Stiche aus dem Landleben. Sechs Bilder links an der Wand,
sieben rechts.
Frau Balbach wandte sich zu Gehen, überlegte noch, ob sie
die Neonröhren löschen sollte – und verharrte plötzlich mitten
in der Drehung. Irgend etwas war anders als sonst, aber was?
Langsam wanderte ihr Blick zurück. Die Beleuchtung – normal.
Alle Bilder hingen dort, wo sie hingehörten.
Dennoch betrat sie das Kabinett, musterte die Gemälde. Beim
dritten an der rechten Wand blieb sie stehen. Ihre Augen
weiteten sich. Tastend fuhr sie über die Bildoberfläche.
Tatsächlich, keine Ölfarbe, bedrucktes Papier, Klebestellen! Fast
vergaß sie zu atmen. Das war nicht das Gemälde. Nur der
vergoldete Rahmen war der alte. Das andere…, das waren Teile
von einfachen Kunstdrucken. Ebenfalls eine Erntelandschaft
darstellend wie das Original, auch der Erntewagen vorn
halbrechts fehlte nicht, und die Menschengruppe auf dem
Wagen – gekonnt hineingemalt!
Frau Balbach preßte die Hand aufs Herz, als könnte sie es
dadurch ruhiger schlagen lassen. »Ich muß es dem Direktor…«,
flüsterte sie und verließ den Raum, stieß im Flur mit einem
jungen Ehepaar zusammen.
»Entschuldigung«, murmelte sie und hastete weiter. Ohne
anzuklopfen, schoß sie ins Direktorenzimmer. Die Frau im
Sessel schaute auf.
»Entschuldigung…« Frau Balbach blickte sich um. Plötzlich
fiel ihr ein: Doktor Rülke war ja zu einer Konferenz in der
Bezirksstadt!
»Was haben Sie denn, Frau Balbach?« Frau Glogau,
Stellvertreterin des Direktors für Öffentlichkeitsarbeit, erhob
sich. »Setzen Sie sich doch, Sie sind ja kreidebleich.«
Erregt schüttelte Frau Balbach den Kopf. »Das Bild…« Es ist
weg. Im ländlichen Saal… Die
Bauernheimkehr
von Berthold
Abraham.
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