Blaulicht 282 - Johann,

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Blaulicht
282
Gerhard Johann
Blütenblatt im Taxi
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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 1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1990
Umschlagentwurf: Horst Hussel
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: DRUCKZENTRUM BERLIN Grafischer Großbetrieb
622 905 4
00045
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Zügig rollt der Siebenundsiebziger-Bus durch den abendlichen
Verkehr. Der Fahrer, Georg Schwindt, kennt die Linie wie den
Korridor in seiner Köpenicker Wohnung. Da ist die lange
Rennstrecke in der Ehrenthalstraße. Obwohl er durchweg seine
vorgeschriebenen Sechzig fährt, wird er ständig von den privaten
Fahrern überholt. Es scheint, als hasteten sie nach Ableistung
von Überstunden dem unaufhörlich versinkenden Feierabend
nach.
Die Ehrenthalstraße schneidet nun die Langestraße. Schwindt
drosselt das Tempo, die Kurve ist zu eng für den langen
IKARUS. Außerdem gibt es stets dunkel gekleidete Fußgänger,
die hinter der Kreuzung über die Fahrbahn wollen.
An der Haltestelle in der Langestraße wartet niemand, es hat
auch kein Fahrgast die Taste über einer der Türen gedrückt, so
geht es ohne Halt weiter. Schwindt muß darauf achten, daß er
nicht zu früh ist. Zu dieser Zeit läßt es sich nicht immer
verhindern. Am Morgen ist es umgekehrt. Da geht es nicht rasch
genug. Die Straßen sind verstopft. Das Ein- und Aussteigen
verschlingt kostbare Minuten, vor allem dann, wenn noch
Kinderwagen mitmüssen. Auch an der nächsten Haltestelle geht
es ohne Unterbrechung weiter.
Schwindt achtet nie auf die Leute, die er befördert. Nur wenn
er in den großen Rückspiegel sieht, kommen ihm mitunter die an
der Vordertür auf ihre Haltestelle Wartenden mit in den Blick.
Bevor es auf die Maydorfer Landstraße geht, will eine alte,
dunkel gekleidete Frau hinaus. Die Stufen machen ihr Mühe, auf
der letzten stolpert sie. Der Fahrer bemerkt es, sieht aber auch,
daß sie sich wieder fängt und in das Halbdunkel hinausstapft.
Hinter der nächsten Haltestelle befinden sich einige Gehöfte
und einzeln stehende Gebäude. Schwindt hat noch nie darüber
nachgedacht, wer dort wohnen könnte. Für ihn gehören die
Häuser nur zu der Kulisse, vor der sein normaler Alltag spielt.
Zwanzig Meter hinter der Haltestelle, an der ein älterer Mann
und eine junge Frau zusteigen, hält ein Taxi. Schwindt sieht den
Fahrer. Er wird auf einen Fahrgast warten, der hier etwas
erledigen will, vermutet er.
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An den letzten Haltestellen der Strecke ist es ruhiger. Im Bus
sitzen nicht mehr als drei Leute, die beiden zuletzt
Zugestiegenen und ein Soldat. Die Zeit der Schichtarbeiter ist
noch nicht gekommen. Schwindt wendet an der Endstation und
wartet. Er wickelt seine Brote aus und trinkt Kaffee aus der
Thermosflasche. Dann beginnt die Rückfahrt.
Einige Halbwüchsige, die eingestiegen sind, drehen für ihre
Zwanzigpfennigstücke Fahrscheinschlangen aus dem Gerät.
Dann lümmeln sie sich auf die Bänke und strecken die langen
Beine mit den Röhrenjeans in den Mittelgang. Schwindt
übersieht es. Solange sie es nicht ärger treiben, läßt er sie
gewähren. Vor der Haltestelle an den Gehöften steht noch
immer das Taxi. Das wird alles mitbezahlt, denkt der Busfahrer.
Manch einer kann es sich eben leisten.
Allmählich füllt sich der Bus. Es sind Leute, die ins Kino
wollen, einige Pärchen sind darunter und Verkäuferinnen, die
erst spät Feierabend hatten. Schwindt spürt keine Müdigkeit.
Einmal muß er noch raus aus der Stadt und einmal zurück, dann
ist es geschafft.
Zu dieser Zeit im März ist Busfahren die reine Erholung. Kein
Schnee mehr und kein Eis, kein Regen und kein Nebel, wenig
Verkehr in den späten Abendstunden. Was könnte man sich
Besseres wünschen! Als er auf der Maydorfer Landstraße ist,
sieht er, daß das Taxi noch immer dasteht. Der verdient sein
Geld im Schlaf, denkt er. An der Endstation ist er diesmal fünf
Minuten zu früh. Er schlägt sie seiner Pause zu. Dann beginnt
für ihn die letzte Fahrt dieses Tages.
Rechtzeitig fällt ihm das Taxi ein. Er hat ein unerklärliches
Gefühl und nimmt das Gas weg, als er sich nähert. Der
Taxifahrer, das sieht er genau im Scheinwerferlicht, sitzt
unverändert da, sein Kopf lehnt auf dem Lenkrad. Ob er
eingeschlafen ist? Nicht gerade bequem, denkt Schwindt. Aber
was hilft’s! Es ist jeder froh, wenn er an einem langen Tag mal
eine Mütze voll Schlaf bekommt.
Er blickt auf die Uhr. Wieder zu früh! So stoppt er an der dem
Taxi gegenüberliegenden Haltestelle, schaltet den Motor ab und
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